Einbürgerungstests: Kein Sturm aufs Deutschsein
Ab Montag muss jeder Einwanderer, der sich einbürgern lassen will, einen Test bestehen. Bisher gibt es jedoch kaum Andrang auf Volkshochschulen und Vorbereitungskurse.
BERLIN taz Leopold Bongart ist gestresst. Ständig klingelt sein Telefon. Doch nicht einbürgerungswillige Einwanderer rufen an, um sich beim Direktor der Volkshochschule in Berlin-Neukölln für den neuen Einbürgerungstest anzumelden. Es sind Journalisten, die nach ebendiesen Migranten suchen. Denn ab dem heutigen Montag gilt für Einbürgerungen eine neue Regelung: Bevor ein Einwanderer den deutschen Pass bekommt, muss er seine "Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland" nachweisen, wie es im Amtsdeutsch heißt. Der Test ist bundesweit einheitlich, über ihn wurde im Vorfeld erbittert debattiert.
In Berlin-Neukölln, einer der Migrantenhochburgen der Hauptstadt, gibt es bisher gerade 15 Anmeldungen für den Test. Bongart aber geht davon aus, dass es bis zum ersten Testtermin am 27. September deutlich mehr werden. "Wir schreiben derzeit 110 Menschen an, die im Einbürgerungsverfahren sind." Wenn es notwenig sei, könne man an einem Wochenende 300 Tests durchführen. Schon am heutigen Montag beginnt in der Neuköllner Volkshochschule der erste Einbürgerungskurs. Kurse wie diesen können Einwanderer belegen, um sich auf den Test vorzubereiten. An der Kölner Volkshochschule stehen bereits 300 Einwanderer auf einer Warteliste für den Einbürgerungstest, in Frankfurt am Main sind es 80. "Insgesamt habe ich den Eindruck, dass es noch recht ruhig zugeht", sagt Ulrich Aengenvoort, Direktor des Deutschen Volkshochschulverbandes.
Die Tests werden an den Volkshochschulen nur durchgeführt. Die einzelnen Fragebögen, die pro Test 33 Fragen umfassen, erstellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg, das die Tests auch auswertet. Bestanden hat, wer in einer Stunde 17 der insgesamt 33 Fragen auf seinem Bogen richtig beantwortet. Wer durchfällt, kann den Multiple-Choice-Test aber beliebig oft wiederholen.
Ausgelöst wurde die Debatte um den Einbürgerungstest von einem Gesprächsleitfaden, den das Innenministerium in Baden-Württemberg Anfang 2006 einführte. Mithilfe dieses Leitfadens prüfen seitdem die Mitarbeiter der Einbürgerungsbehörden die Gesinnung besonders von Muslimen. Der "Muslim-Test" hatte bundesweit zu Protesten geführt, die Debatte um einen bundesweit einheitlichen Test begann. Zunächst sträubte sich die SPD, willigte aber dann doch ein.
Den Pool von insgesamt 300 allgemeinen und zehn spezifische Fragen pro Bundesland, aus dem die 33 Fragen pro Test ausgewählt werden, haben Wissenschaftler der Berliner Humboldt-Universität im Auftrag des Bundesinnenministeriums erarbeitet. Es handelt sich um Wissens-, nicht um Gesinnungsfragen. Dennoch hagelte es nach der Veröffentlichung im Internet Kritik. Allein der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Sebastian Edathy (SPD), listete in einem Brief an Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf neun Seiten 71 Einwände auf: falsche Antworten, irreführende Fragen. So wertete Edathy die Antwort auf Frage 113 als falsch, nach der zwangsläufig eine Partei eine Wahl gewonnen hat, die "die meisten Stimmen bekommt". Bei der Bundestagswahl 1976 hätten CDU und CSU zwar die höchste Stimmenzahl erhalten, erklärte der SPD-Politiker. Trotzdem sei aber die sozialliberale Koalition am Ruder geblieben. Geholfen hat es nicht: Das Innenministerium hat die Fragen nicht mehr verändert.
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