Einbürgerung mit Hürden: Im Ermessen dagegen
Rot-Grün hält sich wohlwollende Einbürgerungspolitik zugute. Zumindest im Falle des Angolaners Ricardo T. aber sieht es anders aus - er musste um den Pass kämpfen.
Wenn es um Einbürgerungen in Bremen geht, klopft sich Rot-Grün derzeit gerne mal selbst auf die Schultern. "Die Bremer Ausländerbehörden schöpfen weiterhin alle Ermessensspielräume aus, um gut integrierten Kindern und Jugendlichen eine Aufenthaltsperspektive zu ermöglichen", heißt es beispielsweise in einem aktuellen Papier des Senates. An anderer Stelle schreibt die Landesregierung dieser Tage der Grünen-Fraktion: "Ermessensspielräume werden von den Behörden in Bremen und Bremerhaven zugunsten der Einbürgerungsbewerber genutzt."
Einen anderen Schluss legt der Fall des Angolaners Ricardo T. (Name geändert) nahe. Und der sei, sagt sein Anwalt Jörg Wegner, durchaus "kein seltener Einzelfall".
Als T. nach Deutschland kommt, ist er etwa 13, und er kommt ohne seine Eltern - ein minderjähriger, unbegleiteter Flüchtling aus Afrika. Das war vor mehr als zehn Jahren. Heute ist er 24 und ein "Vorzeigebeispiel für gelungene Integration", wie Wegner sagt: "Er trägt dieses Land im Herzen." Gleichwohl habe das Bremer Stadtamt ihm in der Zwischenzeit "nur Steine in den Weg gelegt", so der Anwalt.
Sein Asylbegehren wurde einst abgelehnt, seither war T. zunächst in Bremen geduldet. Als er nach der mittleren Reife dank guter Noten sofort einen Ausbildungsplatz in der örtlichen Logistikbranche bekommt, lehnt es die Behörde erst ab, seine Aufenthaltserlaubnis zu verlängern. Unmittelbar zu Ausbildungsbeginn wurde sie schließlich vom Gericht dazu verpflichtet. Später übernahm ihn sein Arbeitgeber, T., der laut Wegner "perfekt Deutsch" spricht, arbeitet dort bis heute in ungekündigter Stellung. Seine unbefristete Aufenthaltserlaubnis aber erstritt er sich zwischenzeitlich gegen den Willen der Behörde.
"Er wollte nichts anderes als Deutscher werden", sagt Wegner. Darauf hat Anspruch, wer seit acht Jahren hier lebt, und auch die sonstigen Anforderungen erfüllt. Wer als gut integriert gilt, kann schon nach sechs Jahren eingebürgert werden, Erwachsene, die als Kinder von Deutschen adoptiert wurden, schon nach vier. Ricardo T. ist als Pflegekind fünf Jahre in einer deutschen Familie groß geworden - für ihn hätte deshalb eine analoge Regelung gelten können oder sogar müssen, sagt Wegner. Demnach hätte T. 2009 einen deutschen Pass bekommen können.
Doch das Stadtamt lehnte ein "öffentliches Interesse" daran ab. Das Stadtamt vermochte nämlich "keine besonderen Umstände" zu erkennen, die es hätten "geboten" erscheinen lassen, T. früher einzubürgern als nach sechs Jahren. Seine "besonderen Integrationsleistungen" erkannte man im Amt zwar durchaus an. Deutscher wurde er gleichwohl erst in diesem Sommer.
Die Behörde hätte ihn durchaus früher einbürgern können, wenn sie denn gewollt hätte - sagt nicht nur Wegner. Sondern auch das Verwaltungsgericht Bremen. Das habe "im Ermessen" der Behörde gelegen, schreiben die Richter, und dieses Ermessen hätte "fehlerfrei zu einem früheren Zeitpunkt" zugunsten von T. ausgenutzt werden können. Wurde es aber nicht. Entgegen aller Behauptungen, die Rot-Grün dieser Tage formuliert. "In der Praxis ist genau das Gegenteil der Fall", sagt Wegner.
Ohnehin ist die Zahl der Einbürgerungen in Bremen rückläufig, seit Rot-Grün regiert. In der Stadt Bremen ging sie von etwa 1.500 im Jahr 2007 auf rund 1.300 im vergangenen Jahr zurück, in Bremerhaven parallel dazu von 225 auf 160. Leicht zurück gegangen ist aber auch die Zahl der Duldungen: Im Sommer 2010 waren davon noch 2.210 Menschen betroffen, zwei Jahre zuvorwaren es 2.021.
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