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Einbürgerung in BerlinDas „gute“ Deutschland ist nur ein bisschen ungerecht

Die seit einem Jahr bestehende zentrale Einbürgerungsstelle hat die Zahl der Einbürgerungen verdoppelt. Die SPD wirbt mit dem Erfolg auch für sich.

Endlich mal ein Erfolg: Die SPD-Politiker Orkan Özdemir, Iris Spranger, Raed Saleh und LEA-Chef Engelhard Mazanke (v.l.n.r.) Foto: S. Memarnia

Berlin taz | Es ist Wahlkampf, und das Thema Migration zieht immer: Der Einladung der SPD, sich die neue zentrale Einbürgerungsstelle des Landesamts für Einwanderung (LEA) anzusehen, sind Dutzende Journalisten gefolgt. Eine kleine Völkerwanderung durchquert am Mittwoch den Eingangsbereich des modernisierten Backsteingebäudes im Wedding, der für eine Behörde auffallend hübsch hergerichtet ist – mit Marmorboden und einer gezeichneten Weltkarte als Tapete. Etwa 20 auf ihre Einbürgerung wartende Menschen sitzen an runden Tischen, auf denen Europa-, Deutschland- und Berlin-Fähnchen stehen.

In einem Nebenraum, wo sonst Einbürgerungen stattfinden, loben Innensenatorin Iris Spranger und Fraktionschef Raed Saleh (beide SPD) vor einer Brandenburger-Tor-Fotowand das LEA – und sich selbst – für den Erfolg. 21.802 Einbürgerungen habe Berlin 2024 geschafft, erklärt Spranger – doppelt so viele wie vor dem 1. Januar 2024, als die Bezirke noch zuständig waren. Zudem sei das Verfahren nun vollständig digitalisiert, sogar die 40.000 Alt-Akten aus den Bezirksämtern lägen inzwischen elektronisch vor, ergänzt LEA-Chef Engelhard Mazanke.

Für die politische Einordnung dieser Neuerung findet Saleh große Worte. „Dieser Ort ist wichtig für Deutschland“, sagt er, hier gehe es um die Menschen, die Teil der Einwanderungsgesellschaft werden wollten, „in der nicht mehr das Blut zählt“. Die Forderung des CDU-Kanzlerkandidaten, Straftätern mit Doppelpass die deutsche Staatsangehörigkeit entziehen, nannte er „rückwärtsgewandt“ – ohne Merz beim Namen zu nennen. „Mit der Verfassung spielt man nicht“, dies sei auch eine Lehre aus der NS-Zeit. „Wir wollen das Miteinander, nicht in ‚ihr‘ und ‚wir‘ trennen“ – und Miteinander meine das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Das ja bei der Einbürgerungszeremonie obligatorisch ist.

Das Problem mit den Altfällen kommt vor lauter Lobhudelei nur auf Nachfrage zur Sprache. Ja, es gebe die Frage mit der „Verfahrensgerechtigkeit“, bestätigt LEA-Chef Mazanke. Heißt: die Frage, ob man alte Anträge oder neue zuerst bearbeitet. Die neuen gehen schneller, weil sie komplett digital sind, aber normalerweise arbeiten Behörden Vorgänge nach Eingangsdatum ab. Nicht so die neue Abteilung S, erklärt Mazanke: Man gehe den Berg „von vorne und hinten gleichzeitig an“. Und wenn ein Altfall sich meldet und Dringlichkeit erklärt, etwa weil er verbeamtet werden will, werde er vorgezogen.

Vor der Tür trifft der Tross später auf zwei Frauen. Die eine ist frisch eingebürgert, ihr Antrag war fünf Monate alt. Ihre Begleitung hat vor 12 Monaten den Antrag gestellt – und wartet immer noch. Richtig verstehen kann sie das nicht. Aber heute ist sie glücklich: „Ich freue mich für meine Freundin.“

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