Einbürgerung Jannine Menger-Hamilton: Schünemanns Sinn für Anstand
Niedersachsens Innenminister weist Schuld an der Posse um die Einbürgerung der Linkspartei-Funktionärin Jannine Menger-Hamilton von sich. Hannover will nun auch SDAJ-Mitglied einbürgern.
Zurückrudern und gleichzeitig nach vorne ausschlagen - in diesem artistisch anspruchsvollen Exerzitium versuchte sich Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) am Mittwoch im Landtag. Mit mäßigem Erfolg: Während er die Überwachung der Linkspartei verteidigte, attackierte die Opposition ihn als "Gesinnungsethiker", der sich, so Frank Briese (Grüne), "schweißgebadet" in einem veralteten "Albtraum von Moskau" und kommunistischer Weltherrschaft wälze. Die Vorsitzende der Linksfraktion, Tina Flauger, sprach von einer "Hexenjagd". Sie hatte die Aktuelle Stunde zum Einbürgerungs-Skandal um Jannine Menger-Hamilton auf die Tagesordnung gehievt.
Menger-Hamilton, in Celle geboren, europäische Eltern, deutsches Abi, mit einem Niedersachsen verheiratet, Hochschulabschluss und ein fester Job in Kiel, wartet seit zweieinhalb Jahren auf die deutsche Staatsangehörigkeit. Verhindert hat das bislang der Verfassungsschutz: Die 31-Jährige ist in der Linkspartei, stellvertretende Kreisschatzmeisterin. Ein Problem war das bis zum Versprechen des Innenministeriums, der Kommunalverwaltung in diesem Fall freie Hand zu lassen. Jetzt wird ein Bescheid wohl "noch im Laufe der Woche" fertig, kündigte Hauke Jagau (SPD), Präsident der Region Hannover, gegenüber der taz an.
Politisch ist der Fall damit noch nicht erledigt: Linken-Chefin Tina Flauger fragte genüsslich nach der Rolle, die Schünemann selbst in dieser Posse gespielt hat. Sie vermutet einen fast pathologischen Linken-Hass. "Have You no sense of decency, Sir?" zitierte sie eine historische Wendung: Mit dieser Frage hatte Armee-Rat Joseph N. Welsh 1954 das Ende der Kommunisten-Jagd von Senator Joe McCarthy vorbereitet. "Haben Sie keinen Sinn für Anstand, Herr Schünemann?", übersetzte Flauger. Der Minister befindet sich in Erklärungsnöten: Zunächst hatte er vehement bestreiten lassen, überhaupt mit dem Fall in Berührung gekommen zu sein. Doch zwei Tage später musste er zugeben, dass es im Mai 2008 eine "Unterrichtung" gegeben hatte. Das sei, behauptete er gestern, "am Rande einer Veranstaltung gewesen", das habe er nicht sofort präsent gehabt. Warum ihm auch die zweite persönliche Unterrichtung entfallen war, erklärte er nicht. Ohnehin sei es ja "völlig unerheblich, ob ich eingegriffen habe", so der Innenminister. Schließlich sei "alles völlig korrekt entschieden" worden. Oder vielmehr: nicht entschieden.
Denn noch wartet Menger-Hamilton auf ihre Einbürgerung. Obwohl sie darauf einen Rechtsanspruch hat, der nur dann in Frage gestellt wäre, wenn sie "aktiv etwas gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung unternommen" hätte. So hatte es der frühere Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig (FDP) der taz erläutert. "Bloße Vermutungen", so der Kieler Staatsrechtler, "reichen da ebenso wenig aus wie die Mitarbeit in einer Partei, die der Verfassungsschutz im Visier hat". Nichts anderes hatte der Landesgeheimdienst der kommunalen Ausländerbehörde vorgelegt, mit der Erläuterung, dass "kein Interesse bestehen" könne, "eine Person einzubürgern, die Mitglied einer Partei ist, zu deren Grundlage der Marxismus" gehöre. Aus Jagaus Sicht eine klare Weisung. Gegen die hätte man zwar verstoßen können. Bloß, "jeder Sachbearbeiter weiß dann, dass seine Entscheidung aufgehoben würde", so der Regionspräsident.
Im Landtag sprachen FDP und Union trotzdem von einem Versagen der kommunalen Behörde. "Die Entscheidungsschwäche von Herrn Jagau ist erschreckend", behauptete Heinz Rolfes (CDU), bei ihm zu Hause im Emsland würde sich jedenfalls "jeder kleine Bürgermeister" trauen, solche Angelegenheiten im eigenen Ermessen zu entscheiden.
Laut Staatsangehörigkeitsgesetz (§ 10) darf Bürger werden, wer:
seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat.
sich bekennt zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen bestreiten kann.
über die deutsche Sprache ausreichende Kenntnisse besitzt.
informiert ist über die Rechts- und Gesellschaftsordnung und Lebensverhältnisse in Deutschland.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert.
nicht zu einer Strafe verurteilt ist wegen einer rechtswidrigen Tat.
Diesen Weg will nun offenbar die Landeshauptstadt in einem analogen Fall beschreiten: Anders als bei Menger-Hamilton hat das Ministerium für die Einbürgerung des 20-jährigen Syrers Aram A. noch kein grünes Licht gegeben. Dem wirft der Verfassungsschutz sein Engagement in der DKP-nahen Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend vor. Ordnungsdezernent Marc Hansmann hat nun zugesichert, dass "die Stadt selbst über den Fall entscheiden" werde.
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