Einblicke eines Dopingdealers: Austrias Wunderdoper

Der österreichische Sportmanager Steffen Matschiner wurde wegen Dopinghandels verurteilt. Nun hat er ein Buch geschrieben - doch Einsicht oder gar Reue sucht man vergeblich.

Ob das noch hilft? Bild: dpa

Jürgen Pinter ist wieder unterwegs. Der österreichische Langläufer ist nach vierjähriger Sperre zurückgekehrt auf die ganz große Bühne. Bei der nordischen Ski-WM in Oslo startete er am Sonntag in der Doppelverfolgung. Er wurde 41. Kommentiert hat das für das österreichische Fernsehen Alois Stadlober. Der lief in der Staffel, die bei den Weltmeisterschaften 1999 in Ramsau Gold für felix Austria geholt hat. Vom österreichischen Langlaufwunder war damals die Rede.

Verantwortlich dafür war Walter Mayer. Der ist seit seiner spektakulären Flucht 2006 aus dem Olympiaquartier der österreichischen Langläufer und Biathleten, in dem etliche Dopingpräparate sichergestellt wurden, berühmt. Mit Beginn der WM in Oslo wurde in Österreich verkündet, dass Mayer wegen Verstoßes gegen das Antidopinggesetz angeklagt wird. Alois Stadlober soll als Zeuge aussagen. Auch Jürgen Pinter wird eine Ladung erhalten. Dessen Name findet sich in einer Liste der Staatsanwaltschaft, auf der Mayers Dopingkunden aufgeführt sind. Der österreichische Dopingkrimi findet eine Fortsetzung vor Gericht.

Einer der Beteiligten hat seinen Prozess schon hinter sich: Stefan Matschiner, der Sportmanager, dessen prominentester Kunde der pharmazeutisch beschleunigte Radprofi Bernhard Kohl war. Er wurde wegen Dopinghandels zu 15 Monaten Haft verurteilt, wovon 14 zur Bewährung ausgesetzt wurden. Matschiner hat nun in Zusammenarbeit mit dem Sportjournalisten Manfred Behr seine Sichtweise dargestellt. Er schildert sein Leben als Dealer in der Szene der Epo-Junkies als rot-weiß-rote Posse. Wie eine Vorlage für das Libretto einer Dopingoperette liest sich das.

Ein Haufen sportbegeisterter Patrioten organisiert mehr oder weniger professionell den Aufstieg eines kleines Alpenlandes zur Sportgroßmacht. Bei der Buchpräsentation in Wien las Franzobel, der als Prosaist und Theaterauor einer der fleißigsten und ätzendsten Österreich-Beschreiber ist, aus den Doping-Erinnerungen. Was die Sportwelt 2006 in Atem hielt, ist in der Alpenrepublik längst zu einer witzigen Episode der Landesgeschichte geworden. So etwas nimmt nicht einmal die Polizei ernst. Matschiner erzählt, dass ihn ein Polizist im Augenblick seiner Verhaftung gefragt habe, ob er ein handsigniertes Trikot von Bernhard Kohl als Souvenir mitnehmen dürfe.

Es war eine verrückte Zeit in einem verrückten Land. Und schlimm war das Ganze wirklich nicht. Matschiner behauptet, immer alles im Griff gehabt zu haben. Er listet die Mittel und Methoden auf, mit denen er seine Sportler besser gemacht hat. Wer wissen will, wie Doping geht, der kann Matschiners Buch als Gebrauchsanweisung verwenden. Und vielleicht steht ja wirklich, so wie es Matschiner behauptet, an jedem Leistungszentrum einer, der irgendwelche Mittel vertickt. Jack nennt er seinen ersten Dealer, der ihn versorgt hat, als er selbst sich noch als Mittelstreckenläufer versucht hat. Jack! Manchmal liest sich das Buch wie ein Groschenkrimi.

Aber ein richtig böser Bube war dieser Jack auch nicht. "Er verstand sich als Athletenhelfer", schreibt Matschiner, als einer, der für Chancengleichheit sorgen wollte. Das sagt Matschiner immer wieder. Und das macht das Buch trotz aller abenteuerlichen Geschichten über mit Klebeband notdürftig verschlossene Blutbeutel dann doch ziemlich öde. Es ist das alte Genöle aller überführten Dopingtäter.

Die sagen immer, dass alle anderen es auch tun. Genauso wie alle nicht überführten Sportler und Funktionäre immer wieder die Geschichte von den schwarzen Schafen erzählen. Als Patriot ist Matschiner natürlich gegen das Antidopinggesetz, nach dem er verurteilt worden ist. Es habe die Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Athleten zweifellos verschlechtert. "Aber wir wollten es ja nicht anders", nölt er und sagt: "Ich bereue nichts."

Von all dem will Markus Gandler, ehemaliger Schützling von Wundermann Walter Mayer und als Sportdirektor für Langlauf und Biathlon im Österreichischen Skiverband dessen Nachfolger, in den Tagen von Oslo nichts wissen. Er soll Matschiner 2006 Flugtickets zu den Winterspielen in Turin besorgt haben.

Steffen Matschiner: "Grenzwertig - aus dem Leben eines Dopingdealers", München 2011, 19,99 Euro

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