: Einbauküche und Waschmaschine
Dem mit Milliarden subventionierten schwedischen „Wohnungssektor“ droht der Markt ■ Aus Stockholm Imke Janoschek
„Schwedens Wohnungsstandard liegt in der Spitzenklasse, und zwar weltweit“, behauptet Ake Johansson vom Reichsverbund der Mieter. Und er fährt fort: „Das ist das Resultat einer sehr bewußten und konsequenten Wohnungspolitik der letzten Jahre.“
Fraglich, ob die 170.000 Wohnungssuchenden in der Warteschlange der Stockholmer Wohnungsvermittlung ihm beipflichten würden. Die neue konservativ-liberale Regierungskoalition ist jedenfalls ganz anderer Ansicht. Für sie führte die „konsequente Wohnungspolitik“ vor allem zu Monopolen, Warteschlangen, Subventionen in Milliardenhöhe und zentral gesteuerten Mieten. Damit soll jetzt Schluß sein, der „Wohnungssektor“ soll wieder den harten Gesetzen des Marktes ausgesetzt werden.
Kein Wunder, daß Mietverbände und Sozialdemokraten daher nun um die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte fürchten. Gefährdet sind ihrer Ansicht nach nicht nur der hohe Standard der Mietwohnungen (vom Einbauküchenschrank bis zur Waschmaschine ist alles beim Einzug vorhanden), sondern auch das ausgeprägte Mitbestimmungsrecht der Mieter sowie die verhältnismäßig niedrigen, lageunabhängigen Mieten in den älteren Wohnungen. Glückspilze können heute einen Katzensprung von den Stockholmer Citymeile Kungsgatan entfernt wohnen und trotzdem nur 1.600 Kronen (ca. 440 Mark) Miete für eine geräumige Einzimmerwohnung bezahlen. Die Mieten waren bisher von einem „Gebrauchswert“ abhängig, Mieterhöhungen wurden zentral von gemeinnützigen, kommunal verwalteten Wohnungsunternehmen beschlossen.
Andererseits hat diese kommunale Wohnungsvermittlung in der Hauptstadt praktisch das Monopol für die Vermittlung von Mietwohnungen. Die gemeinnützigen Unternehmen müssen bei ihr alle, private Hausbesitzer den Großteil ihrer Wohnungen abgeben. Die Wartezeit in der „Stockholmer Schlange“ beträgt für eine Einzimmerwohnung in guter Lage sieben bis acht Jahre.
Wie man jedoch die Situation der Wohnungssuchenden verbessern könnte, das hat auch die neue Regierung bisher nicht herausgefunden. Langfristig soll die Vermittlung weg — soviel ist sicher. In der Zwischenzeit beschäftigen sich die Marktwirtschaftler mit den Subventionen: Der Haushaltsvorschlag für das Budgetjahr 92/93 sieht eine Kürzung von circa 1 Milliarde Mark vor. Außerdem rütteln die neuen Machthaber an den Grundfesten des gemeinnützigen Wohnungsbaus. 22 Prozent des gesamten schwedischen Wohnungsbestandes gehören kommunalen Unternehmen, dieser Mietwohnungsbestand soll jetzt regelrecht „ausverkauft“ werden. Potentielle Käufer: die jetzigen Mieter. Ein Effekt: Die leeren Kassen der Kommunen werden aufgefüllt. Bisher ist der Verkauf aber nicht so richtig in Gang gekommen. Die fallenden Wohnungspreise — siehe Kommentar — machen das Geschäft für die zukünftigen Besitzer unattraktiv.
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