piwik no script img

Ein wenig Opferschutz

■ Opferschutzgesetz verabschiedet / Nebenklage jetzt auch bei Vergewaltigung / Anwälte bei Erstvernehmung ausgeschlossen

Berlin (taz) - Ein neues Gesetz zum Opferschutz verabschiedete der Bundestag gestern mit den Stimmen der Koalition und der SPD bei Enthaltung der Grünen. Nach den neuen Bestimmungen müssen Opfer von Verbrechen über alle wesentlichen Schritte des Strafverfahrens informiert und über ihre Rechte belehrt werden. Über einen Anwalt können sie Einsicht in die Akten nehmen. Erweitert wurde der Kreis der Opfer, die zur Nebenklage zugelassen werden, d.h. die mit den gleichen Rechten wie Staatsanwaltschaft oder Verteidigung in den Strafprozeß eingreifen können. Nebenklagefähig sind jetzt z.B. Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung (bisher war eine Nebenklage nur über den Umweg eines Strafantrags wegen „Körperverletzung“ oder „Beleidigung“ möglich), Geiselnahmen, Mord– und Totschlagsversuchen. Außerdem kann die verletzte Person zu den polizeilichen Vernehmungen eine Person ihres Vertrauens mitnehmen. Eine Rechtsanwältin darf allerdings nur bei den Vernehmungen durch Richter oder Staatsanwaltschaft dabeisein. So sind besonders im Falle von Vergewaltigungen die Rechtsanwältinnen weiterhin vom ersten, oft entscheidenden Zugriff auf die Beweise ausgeschlossen. Neu ist die Möglichkeit, die Öffentlichkeit im Strafprozeß zeitweilig auszuschließen. Dies kann auf Antrag des Opfers oder des Angeklagten geschehen, wenn „Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich“ zur Sprache kommen. Mit dieser Formulierung sind eindeutig Vergewaltigungsprozesse mit ihren vielen „persönlichen“ und nach wie vor „unentbehrlichen“ Fragen nach dem Sexualleben der Frau vor der Tat gemeint. An der Definition von Vergewaltigung im (materiellen) Strafrecht wurde allerdings nichts verändert (s. Kommentar und taz– Frauenseite vom 6.11.). Der CDU–Rechtspolitiker Erwin Marschewski sprach von „Schutz und Hilfe“ für vergewaltigte Frauen, der SPD–Rechtsexperte Hans de With nannte das Gesetz einen „Meilenstein in der 109 Jahre alten Geschichte der Strafprozeßordnung“. Für die Grünen erklärte der Abgeordnete Norbert Mann, daß sich durch das Gesetz in den Gerichtssälen kaum etwas ändern werde. Gleichzeitig äußerte er Bedenken, die Position des Angeklagten könnte geschwächt werden. Gunhild Schöller

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen