piwik no script img

Ein schmieriger Umgang mit Gästen

■ taz-Serie über Freud und Leid der schienengebundenen Pendler (13): Die doppelte Menge Öl im Kaffee und auf der Stulle kostet natürlich mehr

Ein schmieriger Umgang mit Gästen

taz-Serie über Freud und Leid der schienengebundenen Pendler (13): Die doppelte Menge Öl im Kaffee und auf der Stulle kostet natürlich mehr

Wir schienengebundenen Pendler sind besorgt um unsere Geschmacksnerven. Jedenfalls diejenigen unter uns, die ihrer Pendeltätigkeit im Raum nördlich des Altonaer Bahnhofs nachgehen. Die nordelbische Provinz namens Schleswig-Holstein ist nämlich nicht elektrifiziert. Was das mit unseren Pendler-Zungen zu tun hat? Reichlich, wie wir bald erfahren werden.

Laien-Bahnreisende, aber auch Jungpendler, wundern sich Tag für Tag darüber, daß der erste Waggon hinter der Lokomotive von den professionellen Bahnreisenden gemieden wird. Das geht so weit, daß die frühmorgendlichen Pendlerzüge nicht selten mit einem menschenleeren ersten Waggon durch die Lande ziehen. Direkt vor diesem Waggon befindet sich nämlich eine auspuffgasspeiende Diesellokomotive.

Bereits in einem früheren Pendler-Report wurde darauf hingewiesen (da ging es ums Wetter), daß die Waggons über etliche Ritzen

1verfügen. Die sorgen dafür, daß die Abgase der Zugmaschine ihre volle Wirkung in den vorderen Abteilen entfalten können. Wer mindestens eine halbe Stunde pendeln muß, kann sich hier einen leckeren Ölfilm über die Zunge ziehen.

Verschärfend kommt hinzu, daß viele Morgenpendler in der Bahn Kaffee trinken und Stullen essen. Und nur die wenigsten mögen sich Diesel als Dauergewürz antun. Die Folge: Erfahrene Zwischenfahrer pendeln grundsätzlich im hinteren Zugteil. Pendler-Azubis dagegen dürfen sich einige Zeit über den merkwürdigen Beigeschmack, die Kopfschmerzen und die Kotzerei wundern, bis sie die Zusammenhänge schnallen.

Für die Benutzer der InterRegio- Züge nach Flensburg übrigens bietet die Bundesbahn einen Sonder- Service an, den nur Reisende der 1. Klasse in Anspruch nehmen können. Die First-Class-Waggons sind hinter ein Lokomotiventandem gespannt. Das ist für Liebhaber des deftigen Ölfilms eine echte Leckerei — kostet aber auch ein bißchen mehr.

Jürgen Oetting

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen