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Ein neuer Zug der Reichsbahn

■ Ab heute wird gestreikt/ Reichsbahn-Beschäftigte stimmten zu fast 100 Prozent für Arbeitskampf/ Konfliktpunkt ist der Kündigungsschutz/ Verspätungen und Ausfälle nicht nur in Ostdeutschland

Berlin (dpa/adn/taz) — Ein Urabstimungsergebnis wie zu Zeiten der alten DDR: Mehr als 97 Prozent der Mitglieder der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands (GdED) in den fünf neuen Bundesländern und in Ost-Berlin sprachen sich am Wochenende dafür aus, ihre Forderungen nach Übernahme der bei der Deutschen Bundesbahn gültigen Tarifverträge für die Beschäftigten der Deutschen Reichbahn auch mit Streik durchzusetzen. Damit muß ab heute mit Streiks im Eisenbahnverkehr Ostdeutschlands gerechnet werden. Die Forderung der GdED bezieht sich insbesondere auf die für Eisenbahner in Westdeutschland geltenden Rationalisierungs- und Kündigungsschutzabkommen. Für die Löhne und Gehälter fordert die Gewerkschaft für die rund 260.000 Reichsbahner eine Anhebung auf 50 Prozent des Westniveaus.

Die Urabstimmung wurde beschlossen, nachdem sich der Vorstand der Reichsbahn bei den Verhandlungen am Donnerstag geweigert hatte, über die Übernahme des Rationalisierungs- und Kündigungsschutzabkommens bei der Bundesbahn zu verhandeln. Dieses sieht einen Kündigungsschutz für Beschäftigte vor, die entweder älter als 40 Jahre oder mehr als 15 Jahre bei der Bundesbahn beschäftigt sind. Die Gewerkschaft fordert, den notwendigen Personalabbau bei der Reichsbahn durch Vorruhestandsregelungen, durch Fluktuation und durch Arbeitszeitverkürzung zu realisieren, während nach den Plänen der Reichsbahn rund 60.000 Beschäftigte ihre Arbeit verlieren sollen.

Der GdED-Vorsitzende Rudi Schäfer forderte am Sonntag morgen die Bundesregierung auf, dem an sich verhandlungswilligen Vorstand der Reichsbahn „grünes Licht“ für den Abschluß des Tarifvertrages zu geben. Schäfer vermutet, die Bonner Regierungskoalition zögere die Verhandlungen absichtlich bis nach den Bundestagswahlen am 2. Dezember hinaus, um dann die geplanten Massenentlassungen vorzunehmen. Diese Verzögerungstaktik der Bundesregierung, so Schäfer, werde die GdED nicht hinnehmen.

Mit dem Streikvotum der Ost-Eisenbahner bahnt sich der erste Arbeitskampf auf dem Gebiet der ehemaligen DDR nach der Vereinigung an. Ein Streik würde nicht nur in Ostdeutschland zu Behinderungen führen, sondern auch im Berlin-Verkehr und zum Teil in Westdeutschland. Reisende der Bundesbahn müssen mit Verspätungen und sogar Ausfällen rechnen.

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), die rund 50.000 Reichsbahner vertritt, sprach sich am Sonnabend gegen Streikaktionen aus, die die desolate Wirtschaftslage der Reichsbahn noch mehr verschlechtern könnten. marke

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