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Ein nachdenklicher eiserner Besen

■ Bürgerschaft: Viele gute Ratschläge für den neuen Innensenator Wrocklage

Blitzlicht für Hartmuth Wrocklage: Mit 64 von 108 abgegebenen Stimmen hat die Bürgerschaft gestern abend den 55jährigen Juristen auf den Schleuderchefsessel der Hamburger Innenbehörde befördert. Erste Konsequenz aus dem durch Vorgänger Hackmanns spektakulären Rücktritt ausgelösten Polizeiskandal.

Auftritt für Hartmuth Wrocklage: Was wird er denn nun sagen? Der Neue, der nun so vieles auf einmal tun soll: Die Vorwürfe gegen die Polizei aufklären; das Vertrauen in die Polizei wiederherstellen; die Polizisten wieder motivieren; den Beamtenapparat umstrukturieren; den schweren politischen Schaden des Polizeiskandals samt Suspendierungsnachspiel wieder reaprieren; und was ihm die Abgeordneten aller Fraktionen noch so alles mit auf den Weg geben.

Wrocklage, bisher im öffentlichen Auftritt recht ungeübt, bittet präventiv um Verständnis, „daß ich erst hinsehen muß, bevor ich zu konkreten Schlußfolgerungen kommen kann“. Nachdenklichkeit ist sein Programm, um zu „Transparenz, um Wahrheit und Klarheit in der Polizei und für die Polizei“ zu kommen. Nachdenklich, gepaart mit Selbstbewußtsein und Selbstkritik, um zu einer „vorwärtsdrängenden Reformbewegung in der Stadt zu kommen“. Es ist das Ende seiner Rede, aus dem der Alt 68er aus Wrocklage spricht. Nur als Polizeisenator, nur als eisener Besen – um Gottes Willen – will er sich nicht verstehen.

Aber auch. Vertrauen „in die Hamburger Polizei als demokratisch geführte Institution“. Andererseits der „feste Wille“ die Vorwürfe gegen die Polizei „aufzuklären, und zwar restlos“, Konsequenzen zu ziehen „schnellstmöglich“ und „je nach Sachlage“. Es ist alles drin in Wrocklages Antrittsrede, auch das Versprechen von „Einzelfallgerechtigkeit“ für die Beamten des suspendierten Einsatzzzugs Mitte I. Nur: für die Opfer von Polizeigewalt findet auch Wrocklage an diesem Abend kein Wort.

Der eigentliche Anlaß des Polizeiskandals, ausländerfeindliche Übergriffe der Polizei, Rassismus, uniformierte Gewaltbereitschaft, findet an diesem Abend in der Bürgerschaft ohnehin nur am Rande statt.

Im Mittelpunkt der Wortbeiträge stehen die „Identitäts- und Führungskrise der Polizei“, die der CDU-Abgeordnete Karl-Heinz Ehlers ausmacht, der Hackmann-Rücktritt, den Statt-Fraktionschef Markus Wegner für in dieser Form „unsäglich“ geißelt, die Fehler Hackmanns und der SPD-Fraktion, die GALier Manfred Mahr als Ursache des „innenpolitischen Desasters“ ausgemacht hat.

Zwischentöne finden nur wenig Aufmerksamkeit. Der des Statt-Abgeordneten Achim Reichert zum Beispiel, der die Frage nach den tieferen Gründen des Hackmann-Rücktritts aufwirft, zweifelt und ein Deeskalationstraining für Polizisten fordert. Der des Sozialdemokraten Holger Christier, der beklagt, daß die Polizei-Debatte in eine Auseinandersetzung mit dem Beamtenrecht abgleitet. Mehr davon. uex

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