DOKUMENTATION: Ein heiliger Krieg
■ Die Tragödie der Buren in Südafrika
Unser Kampf hier ist einer für die Freiheit, aber in einem tieferen Sinn etwa als der Bürgerrechtskampf in den USA. Wir sind hier in der Mehrheit. Wir wollen politische Macht, was immer auch hieß, den Weißen würde Macht genommen. Wir wünschen eine totale Transformation der Gesellschaft und wollten niemals Teil des Apartheidsystems sein. Und dennoch: Man kann die wütenden, rechten Buren schon mit dem Ku- Klux-Klan vergleichen. Sie greifen zu den Waffen, um „ihr“ Land und „ihre“ Werte zu verteidigen: die Zukunft ihrer Kinder, ihre eigene Träume weißer Vorherrschaft und Überlegenheit, so als ob die nie zu Ende gehen könnten. Sie reden manchmal, als würden sie sich auf einen Krieg vorbereiten.
Man sollte sie im politischen Sinne nicht zu ernst nehmen, aber wohl in dem Maße, in dem sie Gewalt schüren können. Ihre zerstörerischen Kapazitäten sind enorm. Es ist mehr, als daß sie nur vorurteilsbeladen und rassistisch gegen Schwarze, Juden oder Katholiken vorgingen. Nein. Wir haben es hier mit Menschen zu tun, die in ihre burische Gemeinschaft hineingeboren wurden, burisches Denken und Gemüt schon mit der Muttermilch aufsogen. Apartheid gab ihnen ungeahnte Macht und Wohlstand. Sie konnten ein Gefühl von Überlegenheit pflegen, das nicht nur rassisch, sondern auch religiös begründet ist: Hatte doch Gott selbst gewollt, daß sie so seien. Aber heute sagen ihre eigenen Leute, daß dies ein Fehler gewesen sei, ihre eigenen Kirchen predigen ihnen: „Apartheid ist eine Sünde.“
Man muß verstehen, was mit diesen Leuten nun geschieht. Ihre ganze Welt stürzt ein. Sie treffen sich, klammern sich an diese religiöse Mission. Daß sie bankrott und unmoralisch ist, unchristlich und von Gott nicht gewollt, können sie nicht zugeben. Es würde sie zerstören. Das macht sie so gefährlich. Weil sie sich immer noch als auserwähltes Volk begreifen, das sich gegen den Rest der Welt erhebt und glaubt, Gott sei auf seiner Seite.
Das ist also mehr als nur eine Horde gewalttätiger, feiger Ku-Klux-Klan-Männer, die nachts marodieren und ihre Gesichter maskieren. Es ist ein heiliger Krieg. Diese Leute stehen mit ihren Waffen am Stadtrand, neben sich Mutter, Frau und Baby. Und während sie auf dich zielen und dich ermorden, hält ihr kleines sechsjähriges Mädchen die Bibel hoch. Keine Masken, keine Verkleidungen. Sie stehen da und sagen: „Auch wenn wir in der Minderzahl sind. Wir haben in der Bibel oft genug gelesen, Zahlen spielen keine Rolle. Gott ist allmächtig.“
Wenn man das von ihnen wegnimmt, was bleibt ihnen? Ihr ganzes Leben, ihre Zukunft, ihr Selbstverständnis, ihr Selbstbild, das ihrer Kinder, ist verknüpft mit der einen, total irrelevanten Tatsache, daß ihre Haut weiß ist. Und das spielt heute keine Rolle mehr. Das ist tragisch, eine menschliche Tragödie, die man nicht in Worte fassen kann. Alan Boesak
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