piwik no script img

LIBYEN ERWÄGT ENTSCHÄDIGUNG FÜR LOCKERBIE-OPFEREin halbes Geständnis

Die libysche Regierung möchte endlich ihr Paria-Image loswerden. Deshalb will sie die Akte Lockerbie schließen – auch auf abenteuerlichen Wegen. Eine von ihr beauftragte Anwaltskanzlei soll sich nun bereit erklärt haben, jeder Familie, die beim Lockerbie-Anschlag einen Angehörigen verloren hat, 10 Millionen Dollar Schadenersatz zu bezahlen. Bisher gibt es kein offizielles Schuldgeständnis aus Tripolis und auch keine offizielle Bestätigung des Angebots. Doch wenn es sich materialisiert, wäre es das Eingeständnis, für den Anschlag verantwortlich zu sein, bei dem vor 18 Jahren 270 Menschen starben.

Doch die Zahlung ist an Bedingungen geknüpft. 40 Prozent sollen ausgezahlt werden, wenn die UN ihre – derzeit nur ausgesetzten – Sanktionen gegen Libyen vollkommen aufheben. Die gleiche Summe wird ausbezahlt, sobald die USA ihre Wirtschaftssanktionen gegen Tripolis beenden. Der Rest folgt, wenn Washington Libyen von seiner Liste der Länder streicht, die seiner Ansicht nach Terror unterstützen.

Tripolis will sich absichern: Dieser Schritt soll mit Gegenschritten beantwortet werden. Doch damit wird aus einer im Grunde rein rechtlichen Sache zwischen libyscher Regierung und den Hinterbliebenenfamilien eine höchst politische Angelegenheit. Will sagen: Die Angehörigen sehen zunächst keinen Cent.

In Washington scheint man sich derzeit nicht so sicher zu sein, wie es in Sachen Libyen eigentlich weitergehen soll. Schon lange läuft das Tauziehen zwischen der amerikanischen Öllobby, die nur allzu gerne wieder mit dem nordafrikanischen Land ins Geschäft kommen will, und einigen Hardlinern im US-Kongress und im US-Außenministerium, die Libyen am liebsten zur „Achse des Bösen“ zählen wollen.

Die Hinterbliebenen könnten sich als das Zünglein an der Waage erweisen. Doch sie sind derzeit gespalten. Manche wollen die wohl schlimmste Erfahrung ihres Lebens fast zwei Jahrzehnte später „pragmatisch“ abschließen. Andere lehnen das libysche Angebot prinzipiell als „Blutgeld“ ab.

Prinzip gegen Pragmatismus – diese schwierige Entscheidung muss die Politik treffen. Dabei sollte sie allerdings in Betracht ziehen, was bisher half und was blockierte. Den Fall Lockerbie vorangebracht hat nicht Sturheit, sondern nur Flexibilität auf beiden Seiten. KARIM EL-GAWHARY

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen