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Ein guter Kaufmann schaut voraus

■ Traktat über die Schwierigkeiten des Kapitalismus mit den Mineralwässern / Kein Leergut mehr – Verbraucher sind schuld

Gestern im Supermarkt: Alles stürzt zu den Getränken. Besonders Mineralwässer sind gefragt. Aber, oh Schreck: alles weg! In einem Plus-Markt in Altona war das köstliche Naß jedenfalls in Pfandflaschen nicht mehr zu erhaschen. Die empörte Marktleiterin hat die Erklärung: „Die Kunden sind schuld. Die bringen das Leergut nicht zurück!“ Im Eimsbüttler Pro-Supermarkt waren Mittwoch gleich alle Sorten ausverkauft: mit viel Kohlensäure oder mit wenig, in Einweg- oder Mehrwegflaschen, alles weg. Auch stilles Wasser gab es nicht. „Bei der Hitze kann es schon mal zu kurzfristigen Engpässen von einem halben oder ganzen Tag kommen“, entschuldigt sich Franz Maly, Geschäftsführer der Pro-Kette. Andere Marktleiter haben ebenfalls so ihre Schwierigkeiten: „Wir haben unseren Absatz verdreifacht, da kommt es schon mal vor, daß die billigen Sorten nicht mehr vorhanden sind“, berichtet Mike Maruvek, Marktleiter eines Safeway-Marktes. Sein Kollege Bernd Heitmann hat keine Probleme. In seinem Lagerraum ist noch ein Mineralwasserbestand, der selbst bei diesem Wetter noch für drei Wochen reicht. „Damit blockieren wir zwar das Leergut für drei Wochen“, sagt Heitmann, „aber ein guter Kaufmann plant eben vorausschauend.“

Sehr weit gedacht war dies wohl auch nicht, denn Großhändler beklagen den mangelnden Leergutrücklauf. Belieferungsschwierigkeiten sieht Horst Lüth, Geschäftsführer des Getränkegroßhandels Kirchhoff und Sohn. Denn nur gegen Leergut gebe es volle Wasserflaschen: „Die Kunden hamstern“, ärgert sich Lüth.

Die Wasser-Hersteller aber freuen sich. Zum Beispiel die Bismarck-Quelle, die in Schleswig-Holstein und Hamburg täglich 2 bis 2,3 Millionen Flaschen absetzt. Momentan werden jedoch 2,5 Millionen Flaschen pro Tag verkauft, und an eine höhere Produktionsleistung ist nicht zu denken. „Mehr können wir nicht“, sagt Geschäftsführer Hans-Peter Dau. „Wir arbeiten täglich mit vier Schichten an drei Anlagen.“ Er sei schon über 35 Jahre im Geschäft und habe die starken Sommer –59, –76, –82 und –92 mitgemacht; aber: „So einen langanhaltend warmen Sommer habe ich noch nie erlebt!“ Da staunt der Wasserfachmann. Der Absatz von Fürst Bismarck ist im Vergleich zum Juli 1993 von 23 Millionen Flaschen auf jetzt 45 Millionen gestiegen. Wenn die Hitze weiter anhält, wird es auch bei Fürst Bismarck knapp: „Ende der Woche werden unsere Lagerbestände aufgebraucht sein“, befürchtet Dau.

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