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Archiv-Artikel

Ein großer Sprung in die Mitte

Die Trampolin-Springer wollen ganz groß rauskommen. Bei den deutschen Meisterschaften in Schöneberg sah es aber noch eher wie bei einem Schulsportfest aus

„Habts Hunger?“, rief eine Frau auf der Besuchertribüne einigen Mädchen im Turnerdress zu. Die schüttelten den Kopf und kletterten über Zuschauerbänke hinab in den Innenraum der Schöneberger Sporthalle. Es sah ein bisschen nach Schulsportfest aus bei den Deutschen Meisterschaften im Trampolin. So waren die vom Veranstalter angegebenen rund 500 Zuschauer auch hauptsächlich Betreuer und Athleten. Indiz dafür, dass Trampolin eher eine Randsportart ist, erst recht in Berlin. Doch gerade diese Sportfestatmosphäre wirkte sympathisch. Da kümmerte sich beispielsweise Weltmeister Henrik Stehlik vor seinem eigenen Finalkampf noch um die Jugendturner seines Vereins, gratulierte ihnen nach einer gelungenen Übung und tröstete, wenn es danebenging. In manch anderer Sportart undenkbar, beim Trampolinturnen durchaus die Regel.

Das nichtolympische Synchronspringen am Freitag war noch unspektakulärer, dafür nett anzusehen. Bei den Frauen wurden Anna Dogonadze und Jessica Simon (beide Bad Kreuznach) ihrer Favoritenrolle gerecht, bei den Männern siegten Henrik Stehlik (Salzgitter) und Michael Serth (Schaafheim).

Richtig spannend wurde es am Samstag, und das nicht nur weil um die Olympiaqualifikation geturnt wurde, sondern auch weil die Sportler in den Einzelübungen bis an ihre Grenzen gingen und viel riskierten – manchmal zu viel.

Während der zehn Sprünge einer Übung verfolgten die Zuschauer gespannt, wie der Athlet über die etwa 2,5 Meter breite Fläche des Trampolins wanderte. Immer wenn er sich dem Rand näherte, stöhnte die Menge leise auf. Befand sich der Turner in der Luft bereits jenseits der Sprungfläche, schrie alles entsetzt auf und kommentierte die folgende unsanfte Landung mit einem „Autsch“. So bitter dieses Danebenspringen für den Sportler auch sein mag, für die Zuschauer macht es das Trampolinturnen zum Krimi.

Unglücklich war am Samstag vor allem der deutsche Vorjahresmeister Markus Kubicka (Frankfurt), der bereits im Vorkampf scheiterte. Favorit Henrik Stehlik zeigte sich hingegen nervenstark, verteidigte seine frühe Führung mit einer spektakulären Finalübung und sicherte sich das Olympia-Ticket. Platz zwei ging an Mannschaftsweltmeister Adam Götz (Stuttgart) vor Martin Gromowski aus Bad Kreuznach.

Bei den Frauen siegte erwartungsgemäß Exweltmeisterin Anna Dogonadze, deren Olympia-Teilnahme bereits feststand. Lediglich ihre erst 18-jährige Vereinsgefährtin Jessica Simon turnte auf ähnlich hohem Niveau, patzte aber im Finale. Davon profitierten Nancy Gehring (Salzgitter) auf Platz zwei und als Drittplatzierte die Stuttgarterin Nadia Krecke.

Einzige Berlinerin im Finale war Nina Blisse: „Nach meiner Verletzungspause bin ich mit dem vierten Platz ganz zufrieden. Aber mich trennen nur zwei Zehntel von Platz drei, da wäre vielleicht noch mehr drin gewesen“, sagte die angehende Verwaltungsinspektorin vom TSV Marienfelde.

Zum Schluss sprach Peter Hanisch, Präsident des Berliner Turnerbundes, gleich eine Einladung für die deutschen Meisterschaften 2005 aus, die im Rahmen des Internationalen Deutschen Turnfests wieder in Berlin stattfinden werden – dann allerdings im ICC mit mehreren tausend Zuschauerplätzen.

Vom Schulsportfest zum Großereignis – eine Randsportart auf dem Weg zur Mitte?

CATHLEEN ROST