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Ein genauer Blick lohnt

betr.: „Ins Abseits redet er sich selbst“, taz vom 9. 2. 01

Der Fall des Dr. Ulsamer zeigt, dass ein genauer Blick sowohl auf die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft als auch auf deren Protagonisten lohnt.

Noch haben die Wirtschaftsprofiteure des Massenmordes an den Juden keinen Pfennig der im Vergleich zu den Profiten der Unternehmen lächerlichen Summe von zehn Milliarden Mark an die schwerst traumatisierten, leidenden Opfer der deutschen Verbrechen gegen die Menschheit bezahlt. Im Lande der Täter diskutiert man lieber über angebliche Verfehlungen jüdischer Interessengruppen in den USA. Diese sich aus aggressiver Erinnerungsabwehr und antisemitischem Ressentiment speisende, einen jüdischen Kronzeugen funktionalisierende Debatte hat mit Fakten nichts, dafür mit Ablenkung vom eigentlichen Skandalon, der deutschen Entschädigungsverweigerung, alles zu tun. Festzuhalten bleibt: Ohne die materiellen Unterstützungen jüdischer Überlebendenorganisationen in den USA hätten es beispielsweise lettische Überlebende des Grauens sehr, sehr schwer gehabt; aus Deutschland war 55 Jahre nichts zu erwarten gewesen, hier finanzierte die Nachfolgerin des „Dritten Reiches“ namens Bundesrepublik stattdessen die Renten lettischer SS-Angehöriger. Ohne die engagierte Arbeit amerikanischer Rechtsanwälte und das Instrument der Sammelklagen wäre die deutsche Seite niemals freiwillig, etwa aus Einsicht in materielle Verpflichtung zur Kompensation oder Verantwortung für das Elend der Überlebenden, an den Verhandlungstisch gekommen.[...]

Die kritische Öffentlichkeit von Nichtregierungsorganisationen, aber vor allem diejenige im Ausland sollte ein wachsames Auge auf die Gestaltung eines „Zukunftsfonds“ im Rahmen der Stiftungsinitiative haben, dessen Ziel nicht darin bestehen kann, die deutsche Schuld an einem historisch einzigartigen Verbrechen gegen die Menschheit zu relativieren.

JÖRG RENSMANN, Berlin

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