: Ein geklautes Auto geht auf Tour
■ Nach Auto-Kidnapping: Greenpeace startet Info-Tour mit Spar-Karosse Von Kai von Appen
Eigentlich gehört es Greenpeace gar nicht. Und eigentlich möchte Greenpeace es auch gar nicht haben. Dennoch meint die Umweltschutzorganisation, das Auto sollte der Öffentlichkeit nicht vorenthalten bleiben. Also mopsten die Umweltschützer kurzerhand den „Renault Vesta PV 9“: ein Auto, das auf 100 Kilometer nur zwei Liter Benzin verbraucht. Und stellen das unter Verschluß gehaltene Gefährt ab heute in einem Glascontainer auf einer bundesweiten Tour der Öffentlichkeit zur Schau. Motto: „Zurück in die Zukunft.“
Mehrfach hatte Greenpeace in den vergangenen Jahren bei Renault angefragt, ob man nicht einmal den Prototyp eines Mini-Verbrauchsautos sehen könne. Doch immer dieselbe Anwort: Diesen Wagen gebe es nicht mehr, die Prototypen seien allesamt „zerstört“ worden. Der „Vesta PV 9“ war während der Ölkrise 1986 im Rahmen eines Wettbewerbs der französischen Regierung entwickelt worden, acht Fahrzeuge wurden gebaut. Mit Leicht-Karosserie aus recycelfähigem Kunststoff, einem Gesamtgewicht von 500 Kilogramm und einem neuentwickelten Motor, der immerhin 120 km in der Stunde erreicht – bei einem Spritverbrauch von damals 2.8 Liter auf 100 Kilometer, was nach heutigem Technik-Stand auf zwei Liter gedrosselt werden könnte.
Trotz eines Umweltpreises durch die französische Regierung wurde das Auto der Zukunft nie gebaut – angeblich war kein Markt dafür da. Renault damals: „Der Verbraucher braucht kein energiesparendes Auto.“ Greenpeace-Aktivist Harald Zindler vermutet einen anderen Hintergrund: „Kleines Auto, kleines Geld.“
Da auf „legalem“ Weg nicht an das Fahrzeug zu kommen war, plante Greenpeace eine Entführung. Zunächst wurde ein belgischer Greenpeacer in die Pariser Renault-Zentrale eingeschleust. Der Umweltagent förderte zutage, daß tatsächlich vier Exemplare nach Crash-Tests in der Müllpresse und zwei Autos auf dem Schottplatz gelandet waren – aber zwei Fahrzeuge im Renault Museum gehegt und gepflegt werden. Zindler: „Die waren stolz auf ihr Auto, was sie hinter einem Vorhang versteckt hielten. Und wir waren baff, wie gut das Auto erhalten war. Jetzt kam die große Frage: Wie kriegen wir das Fahrzeug da raus?!“
Der Trick: Über die Hamburger Greenpeace-Zentrale gründeten die Umweltschützer eine Umweltstiftung in Köln, die vorgab, einen Kongreß in der Rheinmetropole zu organisieren. Motto: „Energieein-sparungen der letzten zehn Jahre.“ Dazu mietete Greenpeace eigens ein Kongreßbüro an, das auch mit einer französisch sprechenden Dame besetzt war, die sofort Telefonate an ihren Chef durchstellte, es wurden Einladungen und Briefpapier, Kongreßunterlagen gedruckt und ein Hotel angemietet. Zindler: „Die ganze Infrastruktur mußte aufgebaut werden.“
Die Umweltstiftung fragte natürlich auch bei dem „Vesta PV 9“-Entwickler, dem jetzigen Renault-Museums-Chef nach, ob er nicht auf dem Kongreß einen Vortrag über seine damalige Entwcklung halten wolle und ob das Auto nicht im Rahmen einer Ausstellung gezeigt werden könne. Die Pariser fühlten sich außerordentlich geehrt und entsprachen bereitwillig sämtlichen Wünschen der nichtexistenten Umweltstiftung: „Die Deutschlandzentrale von Renault ist in Köln – das wußten wir damals aber nicht –, aber selbst die haben nichts gecheckt“, so Harald Zindler, der sich bei der Geschichte das Lachen nicht verkneifen kann. Selbst als man den Franzosen mitteilte, daß das Auto in einer separaten Hotelhalle ausgestellt werden sollte, kam kein Verdacht auf.
Dann ging es um das konkrete Kidnapping. Zindler: „Wir mußten die Herren aus Paris irgendwie weglocken, um das Auto zu entführen.“ Dazu hatte die Umweltorganisiation extra ein paar aufgestylte Damen mobilisiert – nicht gerade in Gesundheitsschuhen, Schwedensocken und Beuteljeans gehüllt – die die Aufgabe hatten, die Pariser Manager ins Restaurant „abzuschleppen“. Doch dazu kam es nicht. Die gestreßten Renault-Vertreter verabschiedeten sich bereits zehn Minuten nach der Übergabe.
Zunächst entführte Greenpeace den Wagen zur Automesse nach Frankfurt und stellte den Miniverbrauch-Wagen – sehr zum Argwohn vieler Aussteller – als „Auto der Zukunft“ aus. Zindler: „Zu Anfang bestritten die Renault-Vertreter, daß das ihr Auto sei. Ihr Wagen würde auf einer erfolgreichen Messe in Köln stehen.“ Nach der IAA brachte Greenpeace das Auto nach Hamburg. Obwohl der Leihvertrag zwischen Stiftung und Renault vorige Woche auslief, wollen die Umweltschützer das Auto noch nicht hergeben, sondern das Fahrzeug in mehreren Städten vor Autoproduzenten weiter ausstellen, um die Autoindustrie zum Umdenken zu bewegen. Zindler: „Ein Dieb ist nur, wer was wegnimmt, um es sich anzueigenen. Kein Mensch wird ernsthaft glauben, daß wir das Auto behalten wollen.“ Vorwürfe, Greenpeace werbe fürs Autofahren, weist Zindler zurück: „Greenpeace will natürlich nicht das Auto propagieren. Das ist Blödsinn.“ Man könne aber auch als Umweltorganisation nicht immer außen vor bleiben, die autofreie Gesellschaft propagieren, wohlwissend, daß so etwas nicht auf einen Schlag zu realisieren ist. Zindler: „Dieses Auto kann aber einen Zwischenschritt darstellen, durch den bereits heute der CO2-Ausstoß um zwei Drittel reduziert werden kann.“ Immerhin gilt CO2 als Klimakiller.
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