Ein ganzes Jahr ohne Stoffwechsel

■ Expertenstreit um Salmonellen: Lebensmittel bestrahlen? Oder mit Wasserdampf behandeln?

Salmonellenfunde in Paprika haben die Diskussion über die Behandlung von Gewürzen neu belebt: Genügen herkömmliche Kontrollen und biologische Behandlung oder sollten Würzstoffe durch radioaktive Strahlen keimfrei gemacht werden?

„Grundsätzlich muß man damit rechnen, daß an Gewürzen, Trockengemüsen, Trockenpilzen oder auch Tee Salmonellen sein können“, sagte der Leiter der Bakteriologie im Hygienischen Institut Hamburg, Professor Jochen Bockemühl. In vielen Ländern – gerade in den Tropen – würden Gewürze auf dem Boden, nicht selten am Straßenrand in der Sonne getrocknet. Schon über den Kot von Hunden, Hühnern oder Vögeln könnten gesundheitsgefährdende Bakterien an die Gewürze gelangen.

Die jüngsten Untersuchungen zeigten: „Salmonellen können ihren Stoffwechsel fast völlig zum Erliegen bringen und in einem trockenen Zustand mindestens ein Jahr überleben“, meinte Bockemühl. Wichtige Ziele im Kampf gegen Salmonellen seien deshalb verbesserte Hygiene im Ursprungsland, aber auch bei hiesigen Betrieben. Inländische Hersteller müßten in die Pflicht genommen werden, da Salmonellen auch im Staub von Produktionsanlagen vorkommen können, sagte Bockemühl: „Bakteriologische Kontrollen bei Gewürzherstellern und in der Lebensmittelproduktion sind dringend erforderlich.“

Die radioaktive Bestrahlung von Gewürzen und Lebensmitteln, die in der Bundesrepublik im Gegensatz zu anderen EG-Ländern verboten ist, hält der Salmonellen-Experte wegen der möglichen Nebenwirkungen nicht für angemessen: „Die Strahlen könnten zu Veränderungen im Lebensmittel führen.“ Was passiert bei einer Überdosierung? Die Gesundheitsverträglichkeit für den Menschen ist nicht geklärt, sagte Bockemühl. Auch seien sterile Lebensmittel nicht notwendig.

Die vorhandenen biologischen Tests reichten aus, um Salmonellen zu erkennen. Die befallenen Partien könnten aussortiert und beispielsweise mit Wasserdampf oder durch Erhitzen keimfrei gemacht werden. Gefahr bestehe überdies nur bei Gewürzen, die vor dem Verzehr nicht erhitzt werden. Beim Aufkochen – in heißen Suppen und Gerichten – würden dagegen alle Krankheitserreger abgetötet.

Gewürze sind der Branche als mögliche Bakterienträger bekannt. Entsprechend „engmaschig“ ist deshalb das Kontrollsystem, meint der Geschäftsführer des Fachverbandes der Gewürzindustrie, Dirk Radermacher. Die Prüfung von Lieferungen – die nach strengen Probenahmeplänen – verläuft, übernehmen Gewürzmühlen oder Verarbeiter. Wurde früher nur nach Sicht geprüft, werden heute in firmeneigenen Laboren die Partien auf Pflanzenschutzmittelreste, Keimzahlen und Pilze getestet.

Allerdings werden nur Stichproben gezogen: „Dabei kann es passieren, daß sich ein Salmonellennest auch mal durchmogelt“, so Radermacher. Dies sei in den vergangenen Jahrzehnten aber kaum vorgekommen – zumindest seien keine Erkrankungen bei Menschen festgestellt worden. Dennoch: Um das Restrisiko auszuschließen, hält der Verband die Bestrahlung für „eine sichere und sinnvolle Methode.“

Beate Kranz/dpa