Ein fröhlich lesender Löwe sieht zu

Wo früher Kästner und Brecht, Dutschke und Teufel ein- und ausgingen, werden heute vor allem englischsprachige Literatur, Film- und Frauenbücher verkauft. Die Bücherstube Marga Schoeller ist ein Klassiker der Berliner Buchläden

Die Bücherstube Marga Schoeller im Charlottenburger Kiez gehört zum Urgestein des Literaturortes Berlin: Hier gingen Elias Canetti und Erich Kästner, Bert Brecht und Arnold Zweig, aber auch Rudi Dutschke und Fritz Teufel ein und aus. In den Siebzigerjahren sind die Verkaufsräume der 1929 gegründeten Buchhandlung vom Ku’damm in die Knesebeckstraße verlegt worden. Damals ging es noch nicht um zu hohe Ladenmieten, sondern um Eigenbedarf des Vermieters, sagt Ruth Klinkenberg, die seit dem Tod der Gründerin zusammen mit dem Schoeller-Sohn die Geschäfte führt.

Von einer kleinen Sitzecke im hinteren Teil der verwinkelten Buchhandlung aus gibt die engagierte Buchhändlerin einen kurzen Überblick über 180 Quadratmeter Verkaufsfläche: englischsprachige Literatur, Frauenliteratur, Film und Theater, Kinderbücher sind die Schwerpunkte des Angebotes. Insbesondere die englischen Titel seien schon immer ein fester Bestandteil des Programms gewesen.

Ruth Klinkenberg kam in den Siebzigerjahren in die Bücherstube Schoeller und war mit dabei, als 1978 die Buchhandlung in ein Kollektiv verwandelt wurde. An der Arbeitsweise habe sich grundsätzlich bis heute nichts geändert, sagt sie, auch wenn jetzt von den damals zehn Beschäftigten nur noch fünf übrig geblieben seien – den Azubi nicht mit eingerechnet. Bei den notwendig gewordenen Rationalisierungsmaßnahmen habe man aber nun das Ende der Fahnenstange erreicht.

Die alten Zeiten im Buchhandel, ist sich Ruth Klinkenberg bewusst, sind unwiederbringlich vorbei: Durch die großen Discounter sei nicht nur der Wettbewerb verschärft worden. Auch das Kaufverhalten der Kunden habe sich nachhaltig geändert. Es sei normal geworden, Bücher so nebenbei im Einkaufszentrum zu kaufen, man gehe nicht mehr jedes Mal in eine der Buchhandlungen im Kiez. Stark bemerkbar mache sich aber ebenso die Sparpolitik des Landes Berlin: Seitdem die Bibliotheken ihre Ankaufsetats rigoros zurückfahren mussten, fiele ein Teil des bisherigen Umsatzes einfach weg.

Aktivposten sei aber die zahlreiche Stammkundschaft, die auf die Kompetenz ihrer Buchhandlung vertraue: Manche Kunden würden zwar im Internet recherchieren, die Buchbestellung dann jedoch im Laden tätigen.

Hier sieht Klinkenberg dann auch – neben der besonderen Einkaufsatmosphäre – den entscheidenden Vorteil gegenüber Internet oder Shopping-Mall. Schwierige Recherchen durchzuführen und zur Not mal beim Verlag nachzuhaken, das sei in der Bücherstube selbstverständlich. Mit einem Schmunzeln berichtet die Buchhändlerin von westdeutschen Besuchern, die jedes Mal mit Erstaunen feststellten, dass es in Berlin noch gut sortierte Buchhandlungen jenseits des Mainstreams gebe.

Damit das auch so bleiben kann, hat sich Klinkenberg auf Verbandsebene für ihr Gewerbe stark gemacht: Insgesamt sechs Jahre lang war sie – als erste Frau in diesem Amt – Vorsitzende des Verbandes der Verlage und Buchhandlungen Berlin-Brandenburg, und zurzeit führt sie die Abgeordnetenversammlung des Börsenvereins des deutschen Buchhandels an.

Doch auch vor Ort ist sie aktiv: Acht- bis zehnmal pro Jahr finden Lesungen in der Bücherstube statt, deren Logo ein fröhlich lesender Löwe ziert. Der war ursprünglich auf den Spitznamen Marga Schoellers bezogen und unterstützt tatkräftig Ruth Klinkenbergs positive Grundeinstellung: Buchhändlerin zu sein macht eben vor allen Dingen auch Spaß. ANSGAR WERNER