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Ein erster Notnagel

betr.: „Verschrottung des Mittelbaus“ von Manfred Pfister, taz vom 8. 2. 02

Ja, ja! Recht hat er, der Kollege Pfister und alle die anderen Koryphäen, die so langsam auf den Trichter kommen! Um ein hoch dubioses Leitbild stromlinienförmiger wissenschaftlicher Karrieren durchzupeitschen, verwüstet das neue Hochschulrahmengesetz (HRG) absehbar mal eben die Landschaft der Drittmittelforschung, auf die sich die Hochschulen verstärkt stürzen sollen. Wer entwickelt und schreibt denn in der wirklichen Welt all die Projektanträge und macht dann die Spitzenforschung? Unsere qua Amt zu Spitzenkräften ernannten ProfessorInnen und demnächst JuniorprofessorInnen?

Der § 57 hat deswegen einen aparten Effekt, den ich in meinem drittmittelintensiven Umfeld (Arbeits- und Organisationssoziologie) schon erlebe: Die Promovierten, von deren Erfahrung und Engagement die Projekte leben, können sich, wenn sie bei Verstand sind, eigentlich nur schreiend auf den nächsten besten Job außerhalb des Geltungsbereichs des Hochschulrahmengesetzes retten. Und das werden wir dann ja sehen, wie die ProjektleiterInnen die teuren und (bislang) guten Projekte mit eilig für die Restlaufzeiten angeheuerten BerufsanfängerInnen achtbar zu Ende bringen.

Ein erster Notnagel muss also sein, Projektlaufzeiten als sachlichen Grund für Befristungen im Sinne des Teilzeit- und Befristungsgesetzes anzuerkennen. Und wenn es eine weise Sozialdemokratie so gut mit uns vom sozialen Elend bedrohten ProjektkarrierenbesitzerInnen meint, dann müsste sie den Wechsel zwischen Beschäftigungsformen und -feldern institutionell eher absichern als verbieten. Oder wird da doch das Wissenschaftsvolk aufgelöst und sich ein neues gewählt? URSULA HOLTGREWE,

TU Chemnitz – Fakultät für Wirtschaftswissenschaften

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