: „Ein bißchen wie Woodstock“
■ Benefiz, Musik und Film: Der Hamburger Wohlfahrtsausschuß feierte am Sonntag in der Roten Flora eine „Out now“-Party
Das bißchen Terror konnt' so schlimm nicht sein, sagt ein Mann, er spielt Gitarre und singt auch dann und wann. Tralala und feiern, denn eines machten die Initiatoren der Veranstaltung „Out now“ am Sonntag in der Roten Flora gleich zu Beginn klar: „Dies soll in erster Linie eine Party sein.“ Schließlich ist Irmgard Möller „draußen“, und alle anderen sollen auch noch raus, und „Isohaft ist Folter“, und „die Bullen“, vor allem aber „das System“, die sind schon ganz schön gemein.
Die posthume Verklärung der RAF wird an diesem Abend vom Hamburger Wohlfahrtsausschuß durchgeführt. Es ist Sonntag und die Lindenstraße vorbei, da ist es an der Zeit, sich solidarisch zu erklären, „Resolutionen zu verabschieden“ und auch Musik zu machen. Alles Benefiz, alles für den guten Zweck, wie gut der wirklich ist, will keiner wissen. Aber erst mal ein Kurzfilm, Die wilden Tiere heißt er und zeigt viele nette Hippies und noch viel mehr böse „Bullen“. Da auf der Wiese, „da fanden“, näselt die Moderatorin, „einige dieser total wichtigen Gespräche statt“.
Es ist wenig sinnvoll, gemeinsam bei Astra, Kurzfilm und Kritik-Chanson die eigene Kritikfähigkeit abzufeiern. Daß Irmgard Möller, „also die Inga“, out now ist, das ist ja prima, nur wird es in dem Moment schwierig, in dem dieses Ereignis von behenden Wichtigtuern und Musikanten als Plattform genutzt wird, dümmliche Parolen unters Volk zu streuen, die allesamt den Schluß nahelegen, daß Terror eine der menschlichsten Konversationsformen ist, der Wert von Menschenleben von Fall zu Fall entschieden werden muß und Terroristen ohnehin Propheten der Aufrichtigkeit sind. Keine Täter, alles Opfer und „erstaunlich, wenn in diesem System jemand nicht kriminell wird“.
Ein großes, vorwiegend in grau gehaltenes Bild, daß die Ruinen von Weiterstadt zeigt, wird inmitten von Livemusik versteigert, das vorgegebene Preisziel von 600 DM kann sogar noch um 50 Mark überboten werden. Auktionator Jochen Diestelmeyer lächelte schelmisch, und allen war geholfen, schließlich konnte von dem Erlös irgendein Bußgeld solidarisch bezahlt werden, bei dem es by the way „hoffentlich bleibt, denn Beugehaft kann bis zu sechs Monaten dauern“ und „die Bullen sind gerade in der Sternstraße, und es wäre echt unheimlich klasse, wenn da ein paar mit rüberkommen könnten“.
Bei allen erlebten merkwürdigen bis enervierenden Szenen, der Abend hatte auch Spitzenmomente, nämlich als Sterne-Sänger Frank Spilker hilflos lächelnd bemerkte: „Ein bißchen wie Woodstock hier.“
Wolfram Wuttke
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