■ Berti Vogts' Selbstgereimtes zum Ende des Presse-Boykotts: „Ein bißchen mehr Liebe...“
Oh ja, der Lothar Matthäus kennt seinen Heinrich Heine. „Worte! Worte! Keine Taten! / Niemals Fleisch, geliebte Puppe, / Immer Geist und keinen Braten, / Keine Knödel in der Suppe.“ Sicher, dem Kapitän der deutschen Nationalkicker kommt's in der Regel weniger lyrisch von der Zunge, etwa so: „G'nug geschwätzt.“ Oder: „Dazu sagt ein Lothar Matthäus nichts mehr.“ Am Ende bleiben es – Worte? Taten! – doch einerlei: Ausgerechnet der, bei dem bisweilen „Verbal-Diarrhö“ diagnostiziert wurde, rädelsführte in Mexiko seine Kollegen zum kollektiven Schweigen.
„Presse-Boykott“ also – eine Nachricht erschütterte die Welt. Und warum? Weil die Männer von Berti Vogts wohl ihr Spiel gegen die USA gewannen, nicht aber das Wohlwollen der mitgereisten Journaille. Ha, da war's zuviel! Diese Nörgelei! Ewiges Gemecker! Schreibt doch, was Ihr wollt! Und das taten sie dann gestern auch. Zum Beispiel: „Eklat“ (Neues Deutschland); „Schweigen ist nicht immer Gold“ (Tagesspiegel); „Kleinkarierter Boykott“ (Frankfurter Rundschau). Die FAZ sah gar Handlungsbedarf: „Das Kapitänsamt in der Nationalmannschaft ist zu wichtig, als daß es einem in die Jahre gekommenen und dennoch unreif gebliebenen Mann wie Matthäus weiter anvertraut werden sollte.“
Ei ei, Taten also, keine Worte mehr! Ist ja auch kaum auszudenken, was einem fehlen würde in der anhaltenden Stille. Sätze wie die der vergangenen Tage: „Die Aufgaben sind alle lösbar“ (Jürgen Kohler); „Bei einer Weltmeisterschaft herrschen andere Gesetze“ (Matthias Sammer); „Das Eröffnungsspiel ist immer das schwerste“ (Matthäus); „Das sagt mir nichts“ (Andreas Möller). Ach, die Welt wäre ärmer ohne das.
Doch die Not ward gebannt, nach 24 Stunden schon. Und nicht ein Machtwort war's, welches die Spieler wieder zum Sprechen brachte, nein, ein Gedicht! Ein Originalreim von Berti Vogts:
Ein bißchen mehr Friede und weniger Streit,
ein bißchen mehr Güte und weniger Neid,
ein bißchen mehr Liebe und weniger Haß,
ein bißchen mehr Wahrheit, das wäre doch was.
Lassen sich grame Herzen hübscher zusammenführen? Nimmermehr, und schon lagen sie sich wieder in den Armen und Ohren, die Kicker und die Schreiber. Oh Deutschland, Heimat nicht nur der Grätscher und Renner, nein, der Dichter und Denker. Klug und feinsinnig. Nicht voller Vorurteile, sondern voller Jamben, Hexameter und Trochäen. So soll es sein, heute, unterm Weihnachtsbaum und immerdar. Nix mehr „Sportschau“: Der Bundestrainer liest künftig mit Ulla Hahn im „Literarischen Quartett“. Herr Thömmes
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen