: Ein bisschen Staat muss dann doch sein
Verbraucherschützer warnen vor übereilter Privatisierung von Bahn, Gas und Wasser. Sie wollen eine starke Behörde, die alles kontrolliert. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass die Menschen für weniger Qualität mehr Geld zahlen
BERLIN taz ■ Wasser soll keimfrei bleiben, Strom billiger werden und der Staat auf alles aufpassen. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) hat gestern in Berlin davor gewarnt, öffentliche Dienstleistungen übereilt zu privatisieren. „Man darf die Fehler der Strommarktes nicht bei den öffentlichen Verkehrsmitteln und der Wasserversorgung wiederholen“, sagte vzbv-Chefin Edda Müller auf der Konferenz „Wie viel Staat braucht der Markt?“ Die Verbraucher dürften nicht weniger Qualität bei höheren Preisen erhalten.
„Grundsätzlich sind wir für das Öffnen von Märkten und Wettbewerb“, sagte Müller „denn das ist verbraucherfreundlich.“ Besonders die Erfahrungen beiStrom, Gas und Bahn hätten aber gezeigt, dass es eine Kontrolle ehemals staatlicher Wirtschaftsfelder brauche. Müller forderte aus diesem Grund eine starke Regulierungsbehörde für den Strom- und Gasmarkt, wie es sie derzeit nur für die Telekommunikation gibt. „Sonst kommen die Vorteile des Wettbewerbs nie beim Verbraucher an.“
Auch Matthias Berninger, Staatssekretär im Verbraucherschutzministerium, will eine starke Behörde. Wie die genau funktionieren soll, wollte er allerdings nicht sagen. „Wir diskutieren derzeit mit dem Wirtschaftsministerium darüber“, sagte Berninger „deshalb rede ich lieber über Ziele als über Mittel, alles andere wäre unklug.“ Das Verbraucherschutzministerium würde da derzeit ein Eckpunktepapier erarbeiten.
Etwas konkreter wurden die Verbraucherschützer: „Eine Regulierungsbehörde muss die Methode, nach der Strompreise berechnet werden, für alle festlegen“, sagte Müller. „Dazu muss bestimmt werden, wie viel ein Anbieter zahlt, um seinen Strom durch das Netz zu leiten.“ Matthias Berninger verspricht zudem, dass es in Zukunft keine „halb geheimen Absprachen zwischen Bundesregierung und Stromerzeugern über Preise und Lieferbedingungen mehr geben wird.“ Damit zitierte er fast wortwörtlich den grünen Fraktionsvize Reinhard Loske, der in der letzten Woche bei der Vorstellung des Energiekonzeptes der Partei Gleiches forderte.
Der vzbv will, dass auch nach einem Börsengang der Deutschen Bahn, der Staat weiter das Schienennetz besitzt. Wasserwerke sollten nach Möglichkeit in kommunaler Hand bleiben, sonst seien Umwelt- und Gesundheitsschutz in Gefahr. „Angesichts knapper Kassen dürfen sich die Kommunen von Investoren zudem nicht über den Tisch ziehen lassen“, sagte Müller. Es bestehe die Gefahr, dass Städte und Gemeinden öffentliche Dienstleistungen zu „ungünstigen Bedingungen“ privatisierten. Daher müsse der „komplette Verkauf von Infrastruktur bei Wasserversorgung oder Nahverkehr“ ausgeschlossen werden.
Gefahr sehen die Verbraucherschützer auch aus dem Ausland kommen. Verbraucherschützerin Müller kritisierte die geplante EU-Richtlinie über „Leistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“. Diese betrifft öffentliche Dienstleistungen der so genannten Daseinsfürsorge – etwa Post, Wasser und öffentliche Verkehrsmittel. „Der europäische Binnenmarkt setzt damit zu sehr auf Wettbewerb“, sagte Müller. Die EU-Mitglieder könnten dann keine eigenen Qualitätsstandards setzen. „Das darf nicht passieren.“
Staatssekretär Berninger dagegen freut sich: „Gerade die Debatte um die Richtlinie macht auf das Problem der Marktöffnung aufmerksam.“ Deshalb sei das EU-Vorhaben doch eigentlich positiv. DANIEL SCHULZ