: Ein behördliches Spiel mit dem Feuer
Die Berliner „Zentrale Anlaufstelle für AsylbewerberInnen“ wurde an einem heftig umstrittenen Standort im Bezirk Hohenschönhausen eröffnet/ Kundgebung für Flüchtlinge ■ Aus Berlin Uwe Rada
„Sehen Sie sich doch die Mauer hier an.“ Ein Mann, etwa vierzig, weist auf das ehemalige und entsprechend unübersichtliche Stasi- Gelände an der Ferdinand-Schultze-Straße im Ostberliner Stadtteil Hohenschönhausen. „Das ist doch bereits eine psychologische Barriere, von den anderen Gefahren ganz zu schweigen.“ Ja, sagt er, er sei Hohenschönhausener und wolle durch seine Teilnahme an der Kundgebung „ein Zeichen setzen, daß nicht alle Ostberliner ausländerfeindlich sind“.
Es war kalt am vergangenen Sonntag, kurz vor Einbruch der Dunkelheit. Etwa 1.000 Menschen waren zur Kundgebung der „Bürgerinitiative ausländische MitbürgerInnen“ gekommen, um für menschenwürdige Versorgung und gegen die Flüchtlingspolitik des Berliner Senats zu demonstrieren. Das Zelt, das die Initiative gegenüber dem stahlbewehrten Eingangsportal der künftigen Asylstelle aufgebaut hat, wirkte seltsam verloren in einer Umgebung, in der sich Industrie- mit Plattenbauten, Einfamilienhäuser mit Schrebergärten abwechseln.
Nach den rassistischen Pogromen von Rostock, Wismar und Cottbus war auch die Berliner Asylpolitik in die Schlagzeilen geraten. Ausgerechnet nach Hohenschönhausen, dem, wenn man so will, Berliner Pendant zu Rostock- Lichtenhagen, sollte die zentrale Asylstelle über den Winter verlegt werden. Spätestens im Frühjahr, so hofft die Berliner Innenverwaltung, seien dann alle Asylstellen des Landes, einschließlich Abschiebebehörde, im West-Außenbezirk Spandau fertiggestellt.
In seinem Faible für das Hohenschönhausener Stasi-Gelände ließ sich Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) nicht einmal vom Verfassungsschutz irritieren. Der nämlich hatte, wie zuvor schon die Gewerkschaft der Polizei, erhebliche Bedenken gegen den geplanten Standort geäußert. Schließlich gebe es in unmittelbarer Nachbarschaft Treffpunkte von Rechtsradikalen. Doch selbst antisemitische und rassistische Hetzschriften konnten den Senator keines Besseren belehren. Die von „verantwortungslos“ bis „zynisch kalkuliert“ reichende Kritik von Flüchtlingsinitiativen und Grünen wird bis heute mit dem Hinweis beantwortet, Alternativen zu Hohenschönhausen hätte es nicht gegeben.
Diese Behauptung ist es, die im Szeneviertel Prenzlauer Berg seit geraumer Zeit als Beweis für das „behördliche Spiel mit dem Feuer“ gilt. Der von zahlreichen Kiezinitiativen und auch Bezirksvertretern vorgeschlagene Ersatzstandort auf dem „Pfefferberg“, einem alternativ genutzen Fabrikareal an der Schönhauser Allee, wurde von der Innenverwaltung gerade einmal der Prüfung von zweimal zehn Minuten für wert befunden. „Dabei kommt es nicht alle Tage vor“, meint Torsten Wischnewski vom Betreiberverein „Pfefferwerk“, „daß die Leute sagen: ,Wir wollen mit den Ausländern im Kiez zusammenleben.‘“ Empört ist man in Berlins Alternativkreisen insbesondere über den Eiertanz der SPD. „Der Alternativvorschlag Pfefferberg war der ausländerpolitischen Sprecherin der SPD bekannt, bevor die endgültige Entscheidung fiel“, ärgert sich Torsten Wischnewski. Er hofft nun, daß die Debatte wenigstens die Öffentlichkeit sensibilisiert hat. Das wiederum sieht man in der CDU völlig anders. Das Gerangel um den Standort habe, so ein CDU-Abgeordneter namens Gewalt, die Rechtsradikalen auf Hohenschönhausen doch gerade erst aufmerksam gemacht.
Gestern nun wurde die Asylstelle an der Ferdinand-Schultze- Straße eröffnet. Gegenüber den zahlreich anwesenden Journalisten erklärte die vom Bündnis 90 gestellte Bezirksbürgermeisterin Brunhilde Dathe, „die Mehrheit der Hohenschönhausener ist nicht ausländerfeindlich“. Die Verlegung der Asylstelle in ihren Bezirk fände sie zwar auch nicht glücklich, nun, nachdem die Entscheidung gefallen sei, müsse man sich freilich „der Situation stellen“.
In der Berliner Innenverwaltung versucht man indes, die Gefahren herunterzuspielen. „Die Sicherheitslage ist in Ostberlin nicht schlechter als im Westen“, befand Staatssekretät Armin Jäger während der gestrigen Eröffnung. Außerdem hätte es in Berlin, so Jäger, noch nie einen erfolgreichen Anschlag auf Ausländer gegeben. „So kann man das natürlich auch sehen“, kommentierte BI-Aktivist Hans Holm die Äußerung der Senatsvertreter. „Demnach war wohl auch Rostock nichts anderes als eine Kette von Landfriedensbrüchen.“ Eine Stunde nach dem Ende der Kundgebung versammelten sich indes 50 Nazis in unmittelbarer Nähe zur Asyslstelle und skandierten „Ausländer raus“.
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