: Ein Wahlschein fürs Klo
■ Europawahl: Poststreik nicht schuld am FDP-Desaster / „Mitdenken“ war gefragt
Nicht genug, daß die geneigten taz-LeserInnen manchmal bei dieser ihrer Heimatzeitung anrufen und wissen wollen, ob der Schlachter schräg gegenüber eigentlich über Mittag geöffnet hat. So fragte uns gestern Katrin B. aus B.: „Ich habe heute meine Briefwahlunterlagen für die Europawahl mit der Post erhalten. Was mache ich jetzt damit?“ Zu Frage A: Nein, hat er nicht. Zu Frage B: Als Deko aufs Klo hängen vielleicht? Eins jedenfalls hat keinen Sinn, bei aller Wertschätzung für Aktivismus: Die Wahl anfechten.
Ein „bißchen mitdenken“ erfordert nämlich das Wählen nicht nur beim Kreuzchenmachen, so Landeswahlleiter Dieter Matthey: „Wer einen Wahlschein angefordert hat, und der am Freitag mittag vor dem Wahltag immer noch nicht da war, hätte sich ja mal beim Wahlamt erkundigen können.“ Schließlich sei der Poststreik keine geheime Sache gewesen.
Bis Sonntag, 12 Uhr, war es dann auch noch möglich, sich einen Ersatz-Wahlschein abzuholen, höchstpersönlich. Wer da nicht in Aktion getreten sei, so Matthey, „hat letztlich schuldhaft mitgewirkt, daß er sein Wahlrecht nicht ausüben konnte“.
Und damit nicht genug. Wer nun glaubt, daß das Wahlergebnis durch derartige Vorfälle (abermals Katrin B.: „Mein Freund hat seinen auch erst gestern gekriegt!“) vollkommen auf den Kopf gestellt wurde, sei beruhigt oder je nachdem; auch wenn bei der Briefwahl traditionell sehr viel mehr Leute CDU und FDP und sehr viel weniger SPD wählen als an der Urne. Denn wir ließen das statistische Landesamt in Zahlenkolonnen wühlen und fanden heraus: Die Zahl der gut 2.300 verschütt gegangenen Briefwahlunterlagen – die Differenz von beantragten Wahlscheinen zu abgegebenen Stimmen – unterscheidet sich nur geringfügig von vergleichbaren Zahlen vorangegangener Wahlen. Denn wer einen Wahlschein beantragt, geht deshalb noch lange nicht wählen.
Zum guten Schluß sei Ihnen vom Landeswahlleiter noch etwas mit auf den weiteren Lebensweg gegeben: „Wer den postalischen Weg geht, trägt ein gewisses Risiko selbst.“ skai
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