: Ein U-Boot im Schwimmbecken
■ Unterwasser-Radler Bertram Seydell tritt zum Unterwasser-Tretbootrennen im Atlantik an
Berlin. Der deutsche Schiffsbau erlebte jüngst einen historischen Tag — und fast niemand hat es gemerkt. Es geschah im Freibad Seestraße im Bezirk Wedding. Aus dem 24 Grad warmen Wasser stiegen gerade ein paar Dunstwölkchen zum kühlen Himmel auf, als im Nichtschwimmerbecken eine gelbe Haiflosse zum Vorschein kam, eine Finne, wie sie unter Surfbrettern angebracht ist. Das war ein Zeichen der nautischen Großtat: Mitten in Berlin war ein U-Boot vom Stapel gelaufen. In 1,20 Meter Tiefe wurde das erste deutsche Unterwasser-Tretboot erprobt. Es trägt den Namen »Börti 1«.
So hat es sein Konstrukteur, der Strömungstechnik-Student und Norwegen-Fan Bertram Seydell, in skandinavischer Abwandlung seines Vornamens genannt. Als einziges deutsches Boot geht es beim zweiten internationalen U-Boot-Rennen vom 15. bis 23. Juni in Palm Beach (Florida) an den Start. Zugelassen sind ausschließlich muskelkraftgetriebene Tauchboote. Veranstalter des kuriosen Wettstreits sind die H.A. Perry Foundation und die Florida Atlantic University, die damit zu technischen Untersee-Innovationen anregen wollen.
Börti1 ist 3,20 Meter lang, 90 Zentimeter hoch und 60 Zentimeter breit. Die Form seiner sechs Millimeter dünnen Glasfaserhülle ähnelt einer Riesenzigarre. Die Crew, bestehend aus dem Konstrukteur und seiner Freundin hockt Rücken an Rücken im engen Bootsrumpf. Mit Händen und Füßen bedient sie Seiten- und Tiefenruder. Im Heck stemmt er seine Füße in die Pedale.
Bei den Probefahrten ließ sich das skurrile Unterwassergefährt allerdings nur mühsam auf Kurs halten. Sobald die pedalgetriebene Aluminium-Schraube rotierte, driftete Börti1 mit Rechtsdrall durchs Wasser. Die zur Steuerung bestimmten Finnen waren zu klein. Konstrukteur und Maschinist Seydell ließ sich jedoch nicht entmutigen. Er ist submarinen Kummer gewöhnt: Seit er im Oktober 1989 einen Fernsehbericht über das erste U-Boot-Rennen gesehen hatte, arbeitete er an seinem Unterwasserrenner und gegen manche Widrigkeit. In das Projekt, das zugleich Thema seiner Diplomarbeit ist, hat er mittlerweile 20.000 Mark investiert. Mit Kleinkrediten und Großvaters Hilfe hält er sich nun unter Wasser.
Die Crew mußte erst einmal tauchen lernen. Das Wettbewerbs-Reglement schreibt nämlich geflutete Naß-Tauchboote vor. Die Teams müssen in vier bis fünf Meter Tiefe aus Druckluftflaschen atmen. Seydell glaubt fest, daß Börti1 bei den Rennen volle Fahrt voraus laufen wird: »Wir wollen den 100-Meter- Rekord von einer Minute zwanzig Sekunden brechen.« Dabei denkt er nicht an die Besatzung des U-Bootes »Subasaurus«. Die hatte im ersten Rennen 1989 zwei Stunden unter Wasser gestrampelt und war dabei nicht einen Meter vorwärts gekommen. Börti1 hat, darin ist sich Seydell sicher, gute Siegchancen. Das Boot ist computerberechnet. Ein maßstabgetreues Modell hat im Windkanal mit einem sensationellen Luftwiderstandsbeiwert von 0,03 cwSchnittigkeit bewiesen. dpa
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