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Ein Trost für Henry Maske: Boxen bleibt Boxen

■ Boxkampftag in der Charlottenburger Sporthalle: Henry Maske, erster Berufsboxer aus der DDR, quälte sich zum Sieg über einen alten Ringhasen, Ex-Weltmeister Graciano Rocchigiani schwebt zwischen Knast und Weltmeisterschaftskampf

Charlottenburg. Box-Veranstalter Wilfried Sauerland, Manager von Graciano Rocchigiani und Henry Maske, war stocksauer auf das Publikum: „Die haben ja keine Ahnung“, schimpfte er aufgebracht, nachdem die 3.500 Zuschauer gerade sein neues Juwel Henry Maske mit einem Gemisch aus Pfiffen, Buhrufen und aufmunterndem Beifall in die Kabine verabschiedet hatten.

In seinem dritten Profikampf hatte der 26jährige Olympiasieger und Amateur-Weltmeister aus Frankfurt an der Oder mit dem argentinischen Halbschwergewichtschampion Jorge „Violin“ Salgado seinen ersten wirklichen Prüfstein als Berufsboxer zu bewältigen gehabt. Einen Kopf kleiner als Maske, dafür mit doppelt so breiten Schultern und einem Gesicht, das von 77 harten Ringschlachten geprägt wurde, ist der 35jährige Salgado zwar längst über den Zenit seines faustischen Schaffens hinaus, beherrscht aber dafür alle Tricks und Kniffe des Berufsboxens, die Maske bislang nur vom Hörensagen kennt.

„Das war 'n Hase“, meinte der DDR-Champ nach dem Kampf bewundernd, „der wußte, daß er konditionell nicht mithalten kann, hat versucht, über die Runden zu kommen und vielleicht einen Glückstreffer zu landen.“ Von der alten Virtuosität, die dem Argentinier einst den Beinamen „Violin“ eingetragen hat, war zwar nichts mehr zu sehen, aber es wurde deutlich, warum Salgado in seiner Karriere bisher erst einmal K.O. ging. Maske tat das einzig Richtige und punktete seinen bis zum Schlußgong gefährlich wirkenden Gegner nach allen Regeln der Boxkunst aus, ohne allzuviel zu riskieren.

Das aber wollte das Publikum nicht sehen. „Du bist kein Amateur mehr, geh mal ran“, stachelte es Maske an, der war aber schlau genug, der Aufforderung, ins offene Messer zu laufen, nicht zu folgen. „Ein paar Sachen gingen ja trotzdem durch“, freute sich das Profi-Greenhorn nach seinem deutlichen Punktsieg und fand den Kampf insgesamt äußerst lehrreich. „Ich muß erst reinwachsen“, meinte Maske gewohnt nüchtern und bescheiden. Fast zweihundert Amateurkämpfe, auch gegen Spitzenleute, habe er auf dem Kerbholz, aber so ein harter Knochen wie Salgado sei ihm selten begegnet. Alles in allem haben ihn seine bisherigen Erfahrungen im neuen Gewerbe aber eher beruhigt. „Boxen bleibt Boxen“, stellte er erleichtert fest, „auch bei den Profis gibt es nur linke und rechte Gerade und Haken.“

Viel lieber hätte Maske wohl den Gegner von Graciano Rocchigiani (26) gehabt, den Südamerikameister im Halbschwergewicht, Rodrigo Benech aus Uruguay. Den hatte er im Sparring bereits kennengelernt und schon vor der Veranstaltung gesagt, daß der kräftige Mann aus Montevideo mit Rechtsauslegern wie Rocchigiani und Maske ganz und gar nicht klarkomme.

So war es denn auch. Der kahlköpfige Benech, „ein Mann mit Punch“ (Rocchigiani), fuchtelte und prügelte zwar drauflos, als wolle er der Prophezeiung seines Trainers - K.O.-Sieg in der fünften Runde - noch um ein paar Ründchen zuvorkommen, traf aber nur die Doppeldeckung seines Gegners und war dessen Kontern nahezu hilflos ausgeliefert. Neun Monate hatte Graciano Rocchigiani, der wegen „versuchten Menschenhandels“ zu zweieinhalb Jahren Gefängnis ohne Bewährung verurteilt und bis zum Abschluß der Revision gegen Kaution auf freiem Fuß ist, nicht im Ring gestanden, binnen kurzer Zeit war er jedoch wieder voll in seinem Element. Nachdem die „Sympathieprämie eines Sexkinos“ in Höhe von 500 Mark und die „Hau ihn um„-Rufe seiner Freundin den mit frenetischem „Rocky, Rocky„-Gebrüll angefeuerten Publikumsliebling noch zusätzlich motiviert hatten, kam das Ende bereits in der dritten Runde. Nach einigen harten Treffern Rocchigianis warf Benechs Trainer Zakarias das Handtuch.

Ex-Weltmeister Rocchigiani war „sehr zufrieden“ mit seinem ersten Auftritt nach neunmonatiger Pause, hofft nun auf einen baldigen WM-Kampf und bedankte sich beim Publikum: „Es freut mich, daß die Leute nich‘ alles gloob'n, wat in der Zeitung steht.“

Matti Lieske

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