Ein Supergeschenk für Energiekonzerne: Steuerzahler haftet für Gaslager
Ein Gesetzentwurf aus dem Wirtschaftsministerium soll die Speicherung von Kohlendioxid aus Kohlekraftwerken regeln. Sollte er Wirklichkeit werden, wären die Energiekonzerne gut bedient.
Geht es nach dem Bundeswirtschaftsministerium, werden die Energieversorger einen Freibrief für ihre künftigen Kohlendioxidlager unter der Erde bekommen. Denn die Allgemeinheit soll haften, wenn aus vollen Lagern Kohlendioxid (CO2) entweicht oder andere Schäden entstehen. Das zumindest sieht ein Gesetzentwurf aus dem Wirtschaftsministerium vor, der der taz vorliegt und der den Vorgaben der Europäischen Union widerspricht.
Die Abspaltung und Speicherung von CO2, kurz CCS-Technologie genannt, ist die womoglich einzige Chance für die Energiewirtschaft, auch noch in den kommenden Jahrzehnten Strom in Kohlekraftwerken zu produzieren. Denn dabei soll das klimaschädliche Gas, das unweigerlich bei der Verbrennung von Kohle anfällt, ausgefiltert und unterirdisch gelagert werden. Sollte die Technologie tatsächlich im großen Maßstab funktionieren und wirtschaftlich sein, was derzeit noch umstritten ist, bräuchten die Energiekonzerne für ihre Kohlekraftwerke keine Verschmutzungsrechte mehr, die sie sonst bald teuer ersteigern oder über den Emissionshandel einkaufen müssten.
Zwar sollen die ersten Demonstrationsanlagen erst 2015 stehen, aber die Energiekonzerne fordern von der Bundesregerung noch in dieser Legislaturperiode ein entsprechendes Gesetz und begründen dies mit rechtlicher Planungssicherheit für ihre Investitionen, die allein bei Vattenfall und RWE jeweils bis zu eine Milliarde Euro betragen. Sowohl im Wirtschafts- als auch im Bundesumweltministerium wurden deshalb interne Gesetzesentwürfe angefertigt, die nun miteinander abgeglichen werden. Während sich das Papier des Umweltministeriums (BMU) nach Angaben eines Sprechers sehr nahe an den Vorgaben der EU-Richtlinie bewegt, ist der BMWi-Entwurf auf die Vorstellungen der Versorger zugeschnitten.
Konkret wollen das BMWi sowie die Bundesanstalt für Geowissenschaften einen "Kohlendioxidspeicherplan" entwickeln, der dann über das Bergrecht umgesetzt werden soll. Das Bergrecht ist unter Umweltschützern berühmt-berüchtigt. Auf dessen Grundlage kann in Deutschland das Grundrecht gebrochen und zum Beispiel die Räumung ganzer Dörfer gegen den Widerstand der Bewohner durchgesetzt werden. In dem BMWi-Entwurf steht eindeutig, dass "Wege der Enteignung" zulässig seien "wenn sie für die Errichtung oder den Betrieb des Kohlendioxidspeichers erforderlich" sind.
Zudem macht das BMWi auch Zugeständnisse an die CCS-Nutzer, die mit den europäischen Vorgaben nicht zu vereinbaren sind. So zum Beispiel die Frage nach der Verantwortlichkeit für die Lagerstätten: Laut der am 12. Dezember zusammen mit dem EU-Klimapaket beschlossenen CCS-Richtlinie wird nach dem fachgerechten Verschluss der CO2-Lagerstätten die Verantwortung für mögliche Schäden oder Lecks über 20 Jahre den Energieversorgern übertragen. Im BMWi-Entwurf wird dagegen unverzüglich die Haftung an die Allgemeinheit abgetreten. In dem internen Entwurf des Ministeriums heißt es: "Wurde ein Kohlenstoffspeicher […] geschlossen, so wird die Verantwortung für das geschlossene Lager […] durch Anordnung der zuständigen Behörde auf die zuständige Behörde übertragen". Im selben Paragrafen wird betont, dass nach der Übertragung anfallende Kosten nicht vom ehemaligen Betreiber zurückgefordert würden.
Das Umweltbundesamt, das dem Bundesumweltministerium zuarbeitet, hat hingegen schon 2006 Kriterien für einen CCS-Rechtsrahmen entwickelt. Darin ist festgehalten, dass "zu verhindern ist, dass durch Unfälle verursachte Schäden auf Kosten der Allgemeinheit beseitigt werden". Zudem müsse festgeschrieben werden, dass die jährliche Leckagerate maximal 0,01 Prozent betrage. Derartige Grenzwerte für finden sich bei dem BMWi-Entwurf überhaupt nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour