piwik no script img

Archiv-Artikel

Ein Spiel, zwei Sieger

HANDBALL (II) Der TSV Hannover-Burgdorf feiert sich nach dem letzten Spieltag für die vergangene Saison. Ebenso wie die SG Flensburg-Handewitt, die gegen den TSV nochmal einen Sieg verbuchen konnte

„Ich bin selbst überrascht, dass wir diese Saison so phantastisch hinbekommen haben“

SG-Coach Per Carlén

Es war ein feuchtfröhlicher Abschied. Als der stark transpirierende Lars Christiansen nach der Schlusssirene seine Autogramme gab, war der Routinier von lauter glücklichen, ebenfalls schwitzenden Fans umlagert. Der letzte Spieltag in der Handball-Bundesliga, bei hochsommerlichen Temperaturen eine ganz heiße Angelegenheit, bescherte Christiansen einen sehr emotionalen Abgang. Alle wollten diesen Dänen, der 14 Jahre lang für die SG Flensburg-Handewitt am Ball war und jetzt seine Karriere beendete, noch einmal anfassen oder fotografieren. „Einen so großartigen Spieler wie ihn zu ersetzen, wird nicht einfach“, sagte der SG-Trainer Per Carlén voller Wehmut.

Das Schwitzen und Knuddeln war einer Partie gefolgt, die der tapfere Gastgeber TSV Hannover-Burgdorf mit 29:34 (14:29) verloren hatte. Die Niedersachsen feierten den Klassenerhalt und den dafür verantwortlichen Trainer Frank Carstens trotz dessen Wechsel zum SC Magdeburg. Die Flensburger wiederum sicherten sich mit ihrem Auswärtssieg den 3. Rang in der Tabelle und damit das Startrecht für die Champions League.

„Ich bin selbst überrascht, dass wir diese Saison so phantastisch hinbekommen haben“, meinte SG-Coach Carlén. Die Flensburger haben ihr Team im Laufe der vergangenen Jahre erheblich verjüngt und dabei den Anschluss an ihren Erzrivalen THW Kiel (Meister) und den HSV Hamburg (Pokalsieger) verloren. Die Kluft zwischen den beiden besten Teams der Liga sowie den Flensburgern steht Modell für ein immer noch erstaunlich großes Leistungsgefälle innerhalb der gesamten Liga.

Zwischen Hannover-Burgdorf und Flensburg-Handewitt lagen am Samstag nur fünf Tore – aber auch sportliche Welten. Trotzdem gaben sich beide Seiten große müde, die 4.324 Zuschauer in der AWD-Hall am Maschsee zu bespaßen. „Das war ein sehr munteres Spielchen und beste Werbung für den Handball-Sport“, sagte Hannovers Trainer Carstens, der sich mit einem lachenden und einem weinenden Auge verabschiedete. Der erst 38 Jahre alte Übungsleiter hat mit dem Aufsteiger den Beweis angetreten, wie man mit bescheidenen Mitteln und viel Einsatz zum Erfolg kommt und den einen oder anderen hohen Favoriten zumindest ärgern kann. „Ein Verein wie Hannover-Burgdorf muss vor allem an den Strukturen um die Mannschaft arbeiten. Dann kann man sich in der 1. Liga etablieren und auf Dauer eine Bereicherung sein“, meinte Carstens.

Die Mehrheit der Zuschauer musste neben einem Klassenunterschied zwischen den beiden Teams anerkennen, dass die Flensburger allein schon wegen ihres starken Torhüters nicht hatten verlieren können. Johan Sjöstrand parierte einen Wurf der Gastgeber nach dem anderen. Den Rest in der Offensive erledigten seine Vorderleute um den besonders treffsicheren Oscar Carlén wie im Spaziergang.

Bei insgesamt 63 Toren gab es jede Menge zu beklatschen und zu bestaunen. Offenbar hatten die Flensburger Verantwortlichen aber vergessen, ihrem Rückraum-Hünen Tobias Karlsson Bescheid zu geben, dass man den Fans ein friedliches Ende der Saison zeigen wollte. Der Schwede legte sich mit Gegenspielern in Serie an und drohte mehrfach handgreiflich zu werden.

Es spricht für den Ehrgeiz von Karlsson, dass er auch am allerletzten Spieltag verbissen in jeden Zweikampf ging. Es spricht aber auch für die kleine TSV Hannover-Burgdorf, dass sie mittlerweile sogar von einer etablierten Handball-Größe wie den Flensburgern ernst genommen wird und beherzt zu Boden gerungen werden muss. CHRISTIAN OTTO