Kommentar: Ein Sittengemälde
■ Über die Filz&Co-Kammer
Hundert Seiten stark ist der Bericht des Rechnungshofes über die Angestelltenkammer, hundert Seiten Sittengemälde über die verfilzte Art, wie mit den Zwangsbeiträgen der Arbeitnehmer umgegangen wird. Die DGB-Vertreter an der Spitze der Angestelltenkammer wirtschafteten dabei ohne jede Spur von schlechtem Gewissen, ohne den geringsten Versuch, rechtswidrige Vorgänge wenigestens im Protokoll zu vertuschen. Denn der Rechnungshof darf sich nur auf förmliche Dokumente stützen. Er hat niemanden befragt, sein einziges Instrument der Wahrheitsfindung ist die Auswertung dessen, was die Kammer selbst schwarz auf weiß dokumentiert hat. Und das allein ist niederschmetternd.
Die Aufsicht durch den Innen- und Wirtschaftssenator hat überhaupt nichts bemerkt, die Testate der Rechnungsprüfer waren ihre Tinte nicht wert, und eine Kontrolle durch die gewählten Vertreter der BeitragszahlerInnen ist im Kammergesetz schlicht nicht vorgesehen.
Die Bürgerschaft, die im Kammergesetz diese unkontrollierten Strukturen geschaffen haben, sind jetzt gefordert, für halbwegs demokratische und transparente Verhältnisse zu sorgen. In der SPD war der grundlegende Sachverhalt seit Jahren bekannt ist, nur der Mut zur Korrektur fehlte. Die Frage bleibt also, ob die CDU, die alles genauso gut wußte, sich nun endlich traut. Klaus Wolschner
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen