: Ein Schnüffler biß zu
■ Unsere vierbeinigen Kollegen : Der 36. Zollhundewettkampf in Zehlendorf
Ein Schnüffler biß zu
„Unsere vierbeinigen Kollegen“: Der 36. Zollhundewettkampf in Zehlendorf
Eigentlich war die Veranstaltung schon gelaufen. Alles verlief bisher planmäßig, wenig spektakuläre Vorkommnisse beim 36. Zollhundewettkampf in Zehlendorf. Brav hatten die staatlichen Spür- und Schutzhunde ihre Übungen vorgeführt. Das Ausarbeiten einer 600 Meter langen Fährte beispielsweise oder das Einholen einer fliehenden Person. Das Anbellen und das Verhalten des Hundes bei einer Verhaftung. Jeder Biß auf Zuruf des Hundeführers, jede Bewegung nur ein Befehl. Jetzt steht die Siegerehrung an. Urkunden und Pokale werden nun überreicht.
Ans Mikrophon tritt der Präsident der Oberfinanzdirektion, der Organisator der tierischen Disziplin. Ein Mann mit roter Nase, „vom Suff wahrscheinlich“, wie ein Beamter mit grüner Mütze mutmaßt. Also: Dr. Günther Seifert richtet sich mit dem Spektakel angemessener Stimme an seine Untergebenen. Er spricht von „unseren vierbeinigen Kollegen“ und daß das diesjährige Sieger-Pärchen (Schäferhund Mirko mit Zoll -Assistent Uwe Sabo) „die Berliner Farben beim Bundeswettbewerb mit Sicherheit würdig vertreten“ werde.
„Ich wünsche mir einen Platz in der oberen Hälfte des letzten Viertels“, sagt Dr. Seifert, und weiß, wovon er redet. Überregional betrachtet, sind die Berliner „Schutzhunde“ schlicht ein Lacher, denn schlecht ausgebildet, wie sie sind, landen sie zumeist am Tabellenende.
Jetzt erfolgt die Urkunden- und Pokalvergabe. Die etwa 200 Beamten (man erkennt schon von weitem, wer in der Verwaltung und im Außendienst arbeitet: einige Beamte tragen Schlips, andere Goldkettchen a la Miami Vice) klatschen und johlen. Die Stimmung der Anwesenden ist prächtig, fließt schließlich schon seit 9 Uhr vormittags das Bier in die Beamtenhälse. Dr. Seifert hat an alles gedacht.
„Als besonderes Schmanckerl“, verkündet er, „nehme ich nun die traditionelle Abschiedsfütterung vor. Selbstredend für alle Hunde. Schließlich sind hier ja nur Sieger.“ Er schreitet zur Tat, einen Eimer mit rohem Fleisch in der Hand. Zweimal geht es gut. Beim dritten Schäferhund dann jedoch völlig daneben: Schutzhund Drago mit „Führer“ Ullrich Kretzer an der Leine, ist ein Hund, der sich mit dem kleinen Finger nicht begnügt. Er beißt mit Wucht in den Mittelfinger des ihn füttern wollenden Doktors, der sich sofort die Hilfe eines Sanitäters sichert. Blut fließt. Später stellt sich heraus, daß „alles nur halb so schlimm“ gewesen sein soll. Ich möchte nicht wissen, wie das Tier im Ernstfall reagiert. Wirklich nicht!Holger Schacht
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