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PorträtEin Rufer in der Wüste

■ Bernd Schlesinger und der Hamburger Spitzenvolleyball

Der Mann ist auf seine Weise ein Nostalgiker. „Ich will die achtziger Jahre zurückholen“, sagt Bernd Schlesinger. Das goldene Zeitalter bescherte Hamburgs Volleyballern vier Meistertitel, drei Pokalsiege, beachtliche Erfolge im Europapokal. Danach wurden sie – weil zu teuer – 1991 aus dem HSV hinauskomplimentiert. Er will einfach nicht wahrhaben, daß etwas, was einst groß und prächtig war, den Weg allen Irdischen geht. Bernd Schlesinger glaubt an eine Volleyballhochburg Hamburg, die niemals untergehen darf. Arg gelichtet sind die Reihen dieser Glaubensgemeinschaft, die noch vor fünf Jahren nach Tausenden zählte und in besseren Tagen die Alsterdorfer Halle füllte. Doch nun selbst vom Glauben abzufallen, kommt dem 34 Jahre alten Trainer nicht in den Sinn. Tapfer hat er einen Vertrag für die kommende Saison unterschrieben, mit Option für ein weiteres Jahr.

Wehmütig erinnert er sich an den Frühling 1992, als er mit der eben gegründeten Auffanggesellschaft 1. VC Hamburg wie aus heiterem Himmel den deutschen Pokal gewann. „Da hatte ich vom vielen Schulterklopfen eine rote Schulter.“ Nun, da sein Team sportlich im Mittelmaß dümpelt, fühlt sich der Coach einsam: keine Freunde, keine Helfer, kein Manager, kein Co-Trainer, kein Geld.

„Manchmal muß ich mich wundern, daß es diese Mannschaft noch gibt.“ Schlesingers Team war zumindest in den letzten fünf Monaten ein Phantom. Ende März hat er die Spieler zum letzten gemeinsamen Training gebeten, seitdem gehen alle ihre eigenen Wege: in der Nationalmannschaft, in der Studentenauswahl oder beim sommerlichen Strandvolleyball, das neuerdings auch in Deutschland „hip“ ist.

Schlesinger selbst hat auch noch zwei andere Eisen im Feuer. In Niedersachsen trainiert er die Jugendauswahl, und für den Deutschen Volleyball-Verband agiert er als Assistenzcoach der Junioren-Nationalmannschaft. Allein auf seine Karriere beim 1. VC Hamburg zu setzen, wäre auch dem Volleyball-Nostalgiker Schlesinger zu riskant. Sein letztes Gehalt habe er im März bekommen, sagt er. Immerhin steht ihm – ein gewisses Kuriosum in einem bettelarmen Club – als geldwerte Sachleistung ein Mercedes 190 als Dienstwagen zu, mit dem er aus Buxtehude einpendelt.

1987, da war er gerade 28, erwarb er die höchste deutsche Trainerlizenz. Mit 32 Jahren wurde er Bundesligatrainer, ungewöhnlich früh zumindest für einen wie ihn, der selbst nie in der höchsten Klasse mitgebaggert hat. „Daß es so schnell geht, hatte ich nicht erwartet.“

Dafür will es jetzt nicht so recht voran gehen. Ein Konzept hat er gehabt, vier Junioren-Nationalspieler wollte er verpflichten, einen einzigen hat er nur bekommen. „Aus dem Konzept ist leider nichts geworden“, grantelt er. Nicht nur bei diesem Thema wird spürbar, daß Schlesinger sich vom Vereinsvorsitzenden Günter Ploß im Stich gelassen fühlt.Ein kleines Team von acht Spielern haben die beiden nun doch noch unter Vertrag nehmen können und sogar Nationalspieler Dirk Oldenburg halten können. „Wir gehören mit Schwerin und Berlin-Rupenhorn zu den drei ärmsten Clubs der Liga. Unser Ziel ist es, die finanzielle Rangliste auf den Kopf zu stellen.“

Olaf Krohn

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