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Ein Philosoph als Manager

Claude Fabre, Berliner Geschäftsführer der Galeries Lafayette, ist die beste Werbung für sein Unternehmen. Die Kunst zu genießen steht für ihn im Vordergrund  ■ Von Uwe Rada

Seine Lebensphilosophie ist auch die seines unternehmerischen Erfolgs: „Zufrieden ist derjenige, der nichts Außergewöhnliches erwartet.“ Was bei einem deutschen Manager kalkuliertes Understatement und ausgeklügelte Imagebemühungen vermuten läßt, klingt aus dem Munde von Claude Fabre nach einer Lebensweisheit. Claude Fabre ist der Geschäftsführer der Galeries Lafayette in der Friedrichstraße. Unternehmerische Erfahrungen hat der 51jährige mehr als genug: als Berliner Geschäftsführer der gescheiterten Buchhandelskette fnac, als Vorstandsvorsitzender des Hörfunksenders Europa 1 oder als Sanierer mehrerer deutsch-französischer Firmen in Paris, Frankfurt oder Wien.

Außergewöhnliches erwartet Claude Fabre nicht für die Galeries Lafayette, die morgen früh ihre Pforten öffnen. Eher Bodenständiges. Um sich auf dem Berliner Markt zu plazieren, mußte das Pariser Modehaus viele Abstriche machen vom Glanz des Pariser Mutterhauses. Gleichwohl glaubt Fabre an den Erfolg des Unternehmens: „Wenn wir auf unsere Unverwechselbarkeit setzen“, sagt er, „haben wir gute Chancen.“

Mit Unverwechselbarkeit meint Fabre vor allem französische Lebensart, die „Kunst, zu genießen“ und die „nötige Gelassenheit“ als Voraussetzung dafür. Für Fabre ist Savoir-vivre keine Frage des Geldbeutels, sondern eine Frage der Haltung. Er selbst, sagt er, habe erst nach und nach gelernt, die Gegenwart zu genießen und das Leben nicht nur als Versprechen für die Zukunft zu begreifen.

Daß Fabre meint, was er sagt, wird im chaotischen Getümmel in den Büroräumen der Galeries Lafayette am deutlichsten. Während die Dekorateure, Designer, Sekretärinnen und Verkäuferinnen hektisch durch die Gänge jagen, hat man bei Monsieur Fabre den Eindruck, als eröffneten die Galeries erst in drei Monaten. Hat man sich erst einmal auf die fast provozierende Ruhe des Pfeiferauchers eingelassen, ahnt man dagegen, daß die Galeries ohne Fabre gar nicht erst zu eröffnen brauchten. Die stoische Gelassenheit des gebürtigen Provenzalen ist die beste Werbung für das Unternehmen. So stellt man sie sich vor, die Franzosen: charmant, klug, humorvoll, zurückhaltend.

Ob die positiven Eigenschaften ihres Managers für den Pariser Konzern am Ende reichen, um das Wagnis Friedrichstraße zu bestehen, wird sich zeigen. Das Schicksal Fabres, so scheint es, ist freilich weniger an die Galeries selbst gebunden, als an die Stadt. Berlin ist seine Wahlheimat, in Berlin will er bleiben. Und manches in Berlin sieht er in Gefahr: „Es wäre schade“, sagt Fabre, „wenn das Besondere, die Art, das Leben zu genießen, dem Wandel zur Metropole zum Opfer fällt.“ Schon jetzt bemerke er, wie der Druck auf die Menschen zunimmt.

Daß die Galeries Lafayette selbst an diesem Rad mitdrehen, glaubt er nicht. Das Modehaus ist für ihn vielmehr ein Angebot zum Flanieren, zur Erholung vom Alltagsstreß. Ganz nach dem Leitspruch des Modehauses: „Leben und genießen. Voilà!“

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