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Ein Ort für politisch Verfolgte in Hamburg

Die „Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte“ hat Arbeit aufgenommen / Reemtsma ist Financier, Dohnanyi Geschäftsführer und die Stadt Hamburg Gastgeber  ■  Aus Hamburg Ute Scheub

Als der Millionenerbe und Mäzen Jan Philipp Reemtsma vor rund anderthalb Jahren die Hafenstraßenhäuser kaufen wollte, konnte er mit dem damaligen Bürgermeister Klaus von Dohnanyi partout nicht übereinkommen. Nun aber steht das ungleiche Paar gemeinsam für eine Stiftung ein, die in ihrer Art einmalig ist: Politisch Verfolgte sollen aus den Kerkern der Welt geholt, ihnen soll in Hamburg Aufenthalt und Arbeit ermöglicht werden.

Die Stiftung ist errichtet worden, so heißt es in der Präambel ihrer Satzung, „in Gedenken an die Leiden politischer Gegner des NS-Regimes, in dem Bemühen, Menschen, die politischer Verfolgung ausgesetzt sind, zu helfen, Intoleranz gegenüber Andersdenkenden abzubauen, und in dem Willen, Verantwortung zur Wahrnehmung der Menschenrechte zu tragen und Leidende, die durch Widerstand, Unterdrückung und Folterung erdulden mußten, zu stärken.“ Mit einem Stipendium von 2.500 Mark pro Monat soll solchen Menschen ermöglicht werden, ihre politische oder auch künstlerische Arbeit in Hamburg fortzusetzen. Denn, so ist in der Satzung festgelegt, insbesondere gefördert werden sollen diejenigen, „die sich durch Wort, Schrift oder ihr sonstiges Wirken in der Öffentlichkeit Gehör verschaffen“.

So ist es kein Zufall, daß sich auf der Liste der ersten designierten Stipendiaten (siehe Kasten) viele Schriftsteller befinden. Der erste Stipendiat, der lange psychiatrisierte baschkirische Dichter Nizametdin Achmetov aus der Sowjetunion, weilt bereits in der Hansestadt. Die weiteren acht sind jedoch von dem Hamburger Angebot noch nicht offiziell informiert. Jan Phillip Reemtsma hat sich verpflichtet, jährlich eine halbe Million Mark zur Verfügung zu stellen. Auf Dauer aber möchte er nicht der einzige Privatfinancier bleiben. Für neue Geldgeber soll nun der Geschäftsführer der Stiftung sorgen, der immer für das Mäzenatentum schwärmte: Klaus von Dohnanyi. Die Idee zu solch einem Projekt formulierte Dohnanyi bereits bei senem Amtsantritt als Bürgermeister. Und schon damals hatte sich Reemtsma bereiterklärt, den finanziellen Grundstock zu legen.

Doch offenbar erst kurz vor seinem Rücktritt konnte der Bürgermeister der Öffentlichkeit erklären, sie habe ihre Arbeit aufgenommen. Auf Grund seiner guten Beziehugen zum Auswärtigen Amt hatte Genschers Ministerium ihm zugesichert, sein diplomatisches Personal werde die ausgewählten Stipendiaten informieren und ihnen, wen sie wollen, bei der Ausreise helfen.

Bis dahin ist jedoch noch ein langer Weg. „Die eigentliche Arbeit der Stiftung beginnt erst mit dem Tauziehen um diese Leute“, sagt Vorstandsmitglied Hans-Joachim Langer. Und sein Vorstandskollege Helmut Franz, Pastor und ehemaliger Generalsekretär von amnesty international, glaubt: „Wenn wir von den acht Designierten in den nächsten zwei Jahren vier rauskriegen, ist das schon ein Riesenerfolg.“

Und wenn sie dann glücklich hier sein sollten, in Hamburg, beginnt noch eine andere intensive Arbeit. „Wir wissen ja nicht, in welchem psychischen und physischen Zustand sie hier ankommen“, sagt Lenger. Eine Betreuung zu organisieren sei auf jeden Fall vonnöten, ob sie nun medizinischer Natur sei oder darin bestehe, einen Verlag für Veröffentlichungen oder Kontakte zu politischen Gruppen zu vermitteln.

Indirekt, aber umso gewichtiger haben sich auch die politischen Organe des Bundeslandes Hamburg dazu verpflichtet, sich um die Gäste zu kümmern: Der jeweils amtierende Bürgermeister wird automatisch auch Vorsitzender des Stiftungsvorstandes. Von den Gründern ist dies gewollt, um zu garantieren, daß die Behörden nicht nur bei der Beschaffung von Wohnraum und anderen Notwendigkeiten helfen, sondern auch keine aufenthaltsrechtlichen Schwierigkeiten machen, wenn die Stipendiaten länger als ein Jahr hier bleiben wollen.

Gibt es einen Kriterienkatalog nach dem Vorbild von amnesty international für die zu Betreuenden oder gar ein politisches Ausleseverfahren? „Ganz bewußt nicht“, sagen die Vorstandsmitglieder. Man könne sich nicht nach dem richten, „was das innenpolitische Kräftespiel jeweils als ausgewogen definiert“, so Reemtsma.

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