Ein Orden feiert sich: Ritterpracht im Krankenhaus

Die Bremer Malteser werden 50: Eine Ausstellung im Sankt Joseph Stift verrät, dass der Ritterorden Araber immer noch als Gefahr für das Abendland betrachtet

Eröffnung einer Begegnungsstätte für Demente: Mit Karl Prinz zu Löwenstein, Malteser-Vorsitzender (links), Silvia, Königin von Schweden, Constantin von Brandenstein-Zeppelin, Malteser-Präsident (rechts). Bild: dpa

Wer wissen will, was der deutsche Adel heutzutage so treibt, braucht nicht unbedingt die Klatschzeitschrift Gala zu lesen. Er oder sie kann auch das Vorstandsverzeichnis von Organisationen wie dem Malteser Hilfsdienst studieren. Dass dort ein Prinz zu Löwenstein den Vorsitz über ein mit Grafen bestücktes Gremium führt, ist kein Zufall: Die Malteser sind nicht nur in ihren Ursprüngen, sondern auch gegenwärtig ein Ritterorden.

Was das mit Bremen zu tun hat? Die hiesigen Malteser feiern derzeit Jubiläum. Angesichts der 900-jährigen Geschichte des Ordens, der während des ersten Kreuzzugs in Jerusalem als Hospitalbruderschaft gegründet wurde, wirkt der 50. Geburtstag der Bremer Malteser möglicherweise bescheiden. Hier heißt der Chef ganz bürgerlich Bayer. Und dessen pragmatisch orientierte Erfolgsstory geht so: Aus zwei Erste-Hilfe-Koffern und vier ehrenamtlichen Helfern, mit den die Bremer Malteser 1963 starteten, sind 125 Ehrenamtliche und 130 Angestellte geworden.

Auf ein gewisses Maß an Ritterpracht wollten die Bremer nicht verzichten: Ein historischer Fanfarenzug der Malteser geleitete am Donnerstag die adligen Ehrengäste vom Festgottesdienst in der Probsteikirche St. Johann bis zum Rathaus. Dort ging es dann um die ganz und gar nicht pompösen Lebenswirklichkeiten, mit denen sich die Bremer Malteser befassen: Rettungs- und Sanitätsdienst, Kranken- und Behindertenfahrdienste, Katastrophenschutz, Hausnotrufdienst, einem „Wohlfühlmorgen für Wohnungslose“ oder das „Café Malta“ für Demenzkranke und deren Angehörige. In Planung ist ein Trauercafé.

Wer mehr über die Ritter-Historie wissen möchte, muss ins St. Josephstift gehen. Das katholische Krankenhaus in Schwachhausen verfügt über einen „Brunnenhof“ genannten Korridor, der Raum für historisch informative Ausstellungen bietet.

Und was sich derzeit hier zwischen Neonleuchten und Linoleumboden präsentiert, ist immerhin die Pracht einer Jahrhunderte währenden Ordensgeschichte. Angefangen mit dem Zweispitz eines früheren Großmeisters über gewichtige medizinische Folianten bis zu einer umfangreichen Sammlung von Münzen, deren älteste von 1568 datiert. Als selbständiger Ritterstaat, zuletzt auf Malta, verfügten die Malteser über eigene Zahlungsmittel. Und, natürlich, kein Orden ohne Orden: Vom „Steckkreuz des Justizritters“ bis zum „Silberfiligran des Großkomturs“ von 1780 ist alles dabei, was das Herz der BesucherInnen höher schlagen lassen könnte.

Im Brunnenhof können sie lernen, wie die „Muselmanen“ die Malteser erst aus Jerusalem, dann von Zypern und 1523 auch von Rhodos vertrieben. Doch als derselbe Sultan – Soliman der Prächtige – 42 Jahre später versuchte, die Ritter auch von Malta zu vertreiben, scheiterte er nach mehrmonatiger Belagerung. Fortan galt Malta mit seinen Ordensrittern als christliches Bollwerk gegen den Islam – „unter schweren Blutopfern“, wie in der Ausstellung zu lesen ist.

Ein Nachleben dieser ideologisch aufgeheizten Frontstellung findet sich in Malteser-Broschüren, die im Stift ausliegen. Dort wird beklagt, dass „der Sozialist Dom Minthoff von der Labour Party“ als maltesischer Ministerpräsident versucht habe, „sein Land Europa zu entfremden und näher an Libyen zu binden. In den Schulen musste Arabisch als 1. Fremdsprache in den Lehrplan aufgenommen werden.“

Das Abendland geht eben immer mal wieder unter, wenn man das Arabische als zivilisatorische Antipode ansieht. In Malta ging es ganz konkret unter, als Napoleon dem Ritterstaat 1798 den Garaus machte. Das tat er eher nebenbei auf dem Weg nach Ägypten, und der Großmeister, der die letzte Kerze ausblies, war gleichzeitig der erste Deutsche überhaupt in diesem Amt. Heute hängt dieser Freiherr von Hompesch als Stich an den Wänden des Joseph-Stifts, und das rotstichige Foto des aktuellen Ordenschefs direkt daneben verweist unbeabsichtigt auf die Profanisierung einstiger Ordenspracht.

Hier der kunstvolle Kupferstich, da das schlecht abgezogene Foto von Fra Matthew Festing, der in seiner roten Uniform aussieht wie ein mittelmäßig rausgeputzter Prinz Karneval aus der rheinischen Provinz. Markanter kann ein Kulturgefälle kaum sein – da helfen auch Festings Titel von Hoheit über Eminenz zu Großmeister und Fürst wenig.

Wobei: Fürst? Tatsächlich ist Festing auch ohne Staat fast so etwas wie ein Staatschef: Immerhin ist der Orden heute noch ein Völkerrechtssubjekt, wie man juristisch so sagt, er unterhält diplomatische Beziehungen mit 90 Staaten und hat ständige Vertretungen bei den internationalen Organisationen. Noch wichtiger aus Sicht der Ordensritter dürfte sein, dass Festing den selig gesprochenen Malteser Adrian Forstescue zu seinen Vorfahren zählt, der 1539 den „Märtyrertod“ im Londoner Tower starb. Und das ist weit mehr, als je aus der Gala zu lernen sein wird.

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