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Ein Netz von schmutzigen Geschäften

Argentiniens politische Klasse verstrickt sich immer tiefer in Skandale: Jetzt mußte der Justizminister wegen Kontakten zum einem dubiosen Unternehmer zurücktreten  ■ Aus Buenos Aires Ingo Malcher

Argentiniens Justizminister Elias Jassan ist zurückgetreten. „Es ist doch kein Delikt, einen Telefonanruf von Yabrán zu empfangen“, verteidigte sich der Justizminister noch vergangene Woche – aber der Skandal um seine guten Beziehungen zu dem mächtigen Unternehmer Alfredo Yabrán drehte sich auch nicht um einen einzigen Telefonanruf.

Seit Oktober vergangenen Jahres sollen die beiden mindestens hundertmal miteinander telefoniert haben. Das Problematische: Yabrán hat den Ruf eines Mafioso. Er steht unter Verdacht, der Auftraggeber der Ermordung des Fotojournalisten José Luis Cabezas im Januar diesen Jahres gewesen zu sein. Der Fall ist ungelöst.

Am Sonntag abend, so berichten die argentinischen Tageszeitungen, soll Jassan wieder zum Telefonhörer gegriffen haben – diesmal, um den argentinischen Präsidenten Carlos Menem auf seinem Staatsbesuch in New York anzurufen, um seinen Rücktritt zu erklären. Menem hatte schon am Samstag eine Kabinettsumbildung nach seiner Rückkehr angekündigt – aber daß der Sturz Jassans jetzt so schnell ging, überraschte doch.

Denn schließlich hatte Yabrán erst am Dienstag einen Termin im Präsidentenpalast, wo dem Unternehmer eigentlich von der Regierung ein Persilschein ausgestellt werden sollte, damit er aus den Schlagzeilen verschwindet. Die Reputaion Yabráns ist im Keller.

Angefangen hat alles im August vergangenen Jahres, als der entlassenen Wirtschaftsminister Domingo Cavalo den Unternehmer Yabrán als „den Chef der Mafia“ bezeichnetet. Yabrán versuchte damals, sich ein Monopol für die Postzustelldienste aufzubauen, und wickelte mit dem argentinischen Staat mehrere Millionengeschäfte ab. Seit diesen Anschuldigungen meiden argentinische Regierungsbeamte Yabrán, mit dem sie zuvor gerne Geschäfte gemacht haben. Im Oktober beschuldigte Cavallo Justizminister Jassan und den Innenminister Carlos Corach, zuverlässige Richter und Staatsanwälte an der Hand zu haben, um „Korrupte, Schmugler und Steuerhinterzieher zu schützen“.

Der Mann, um den es geht, Alfredo Yabrán, ist einer der mächtigsten und reichsten Männer Argentiniens. Die Anschuldigungen aus Polizeikreisen, er sei der Drahtzieher des grausamen Mordes an dem Fotografen der Zeitschrift Noticias, José Luis Cabezas, haben ihren Grund im Motiv: Cabezas hat das einzige aktuelle Foto von Yabrán gemacht, es zeigt den Großunternehmer zusammen mit seiner Frau am Strand. „Von mir ein Bild zu machen ist, als ob man mir eine Kugel in die Stirn jagt“, beschwerte sich Yabrán daraufhin beim Direktor von Noticias.

In seiner Selbstverteidigung mußte Jassan auch Yabrán im Fall Cabezas in Schutz nehmen. Der Unternehmer habe „offensichtlich nichts mit dem Thema Cabezas zu tun“, ging Jassan in die Offensive.

Der nun geschaßte Minister stellt sieht sich als Opfer einer Kampagne und beschuldigte die Geheimdienste, gegen ihn etwas im Schilde zu führen. Seit Dezember hätte er die Handy-Nummer von Yabrán nicht mehr gewählt. „Und wenn ich mal einen Anruf von Yabrán bekommen habe, so habe ich mich doch nie mit ihm zum Abendessen getroffen“, verteidigte sich Jassan weiter.

„Wir haben es hier zu tun mit einem Zusammenschluß zwischen dem Menemismus als politischer Macht, mit Menem als Verantwortlichem an der Spitze und den Unternehmerinteressen, geführt von Yabrán“, meint Carlos „Chacho“ Alvarez, Chef des Mitte- links-Bündnisses Frente Pais Solidario (Frepaso). „Ich frage mich, ob wir nicht von einer Bande regiert werden, wenn ein Minister, dem Verbindungen zu dem mutmaßlichen Hintermann des Verbrechens an Cabezas vorgeworfen werden, die Geheimdienste anklagt, gegen ihn zu operieren“, meinte Alvarez weiter.

Mittlerweile sind Fotos von Yabrán täglich in allen Zeitungen und sein Gesicht ist bekannt. Als er in Dolores, in der Provinz Buenos Aires, als Zeuge im Verfahren um den Mord an Cabezas geladen wurde gab es einen riesen Tumult. Yabrán kam kaum in das Gerichtsgebäude rein, so sehr wurde er von Kamerateams und Fotografen belagert. Seine Sicherheitsleute mußten ihn regelrecht durch die Reportermeute hindurchschieben.

Der Rücktritt Jassans kommt gerade noch rechtzeitig. In vier Monaten sind in Argentinien Parlamentswahlen, und die regierenden Peronisten wollen ohne schwarze Flecken auf dem Hemd in den Wahlkampf ziehen.

Präsident Menem blieb während des Skandals um die Verbindungen seines Justizministers zu Yabrán blieb der Präsident still und sorgte sich hinter verschlossenen Türen, wie er den Fall lösen könnte. „Bis jetzt muß man warten“, verkündete er. Verbindungen zu einer korrupten Unternehmer-Mafia wurden Menems Regierung schon oft nachgesagt. Zuletzt machte der gefeuerte Wirtschaftsminister Domingo Cavallo damit auf. Und Menem läßt die seinen nicht im Sich: Laut Informationen der Tageszeitung Clarin soll er Jassan bei dem Telefongespräch am Sonntag schon den nächsten Job besorgt haben – er will ihn zum Botschafter in den USA machen.

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