ortstermin : Ein Museumsstück aus der Gartenlaube
In der Reihe „Ortstermin“ besuchen Autoren der taz nord ausgewählte Schauplätze am Rande des Nachrichtenstroms
Nur der verchromte runde Scheinwerfer und der Auspuff glänzen, ansonsten erzählt die alte „Rubin“ eher eine Alltagsgeschichte der Nachkriegszeit. Die Pedale zeigen deutliche Gebrauchsspuren. Im vermuteten Baujahr des Mopeds 1955 gab es noch keine U-Bahn in Hannover. Viele mussten laufen und schwärmten für den Traum in blassen Grün-Metallic. Eigentlich sieht es aus wie ein Fahrrad mit Hilfsmotor ist aber ein Moped – ein Motor mit Pedalen. Rund 250 Konfektionäre gab es damals in Deutschland. Es waren Schrauber, die einen eigenen Rahmen konstruierten und alle anderen Teile zukauften. Mit dem eigenen Rahmen konnten sie dem Moped eine eigene Marke verpassen. So hat es damals auch Wilhelm Oberpottkamp aus Hannover gemacht. Seiner Eigenkonstruktion gab er den Markennamen „Rubin“. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist es als Einzelstück oder in nur kleiner Stückzahl gefertigt worden.
Am vergangenen Sonntag wurde das seltene Moped im Historischen Museum Hannover vorgestellt – aufwendig restauriert von den Sammlern Egon und Tobias Tantius. In monatelanger Arbeit haben Vater und Sohn das Zweirad wieder hergerichtet und es am Wochenende gleich dem Museum überlassen. Im Vorgriff auf eine Sonderausstellung zum Thema Mopeds der Nachkriegszeit aus Hannover wird das Museum das seltene Krad schon jetzt im Foyer ausstellen.
Jahrelang stand die „Rubin“ unbeachtet in einer Gartenlaube. Als sich auch für ihren ersten Besitzer der Weg in die neue Mobilität der Wirtschaftswunderjahre geöffnet hatte, geriet das Zweirad offenbar in Vergessenheit. Erst viele Jahre später wurde es von einem Oldtimer-Fan aufgespürt und in die Obhut der Sammler Tantius übergeben.
Die „Rubin“ ist ein so genanntes „Butter und Brot Moped der Schnapsglasklasse“, sagt Tobias Tantius. So ein Moped sei für viele Menschen erschwinglich gewesen und habe 49 cm³ Hubraum gehabt. „Ein Schnapsglas eben“, sagt Tantius Junior. Das Novum bei Modellen wie dieser „Rubin“: Die Schrauber montierten den Antrieb nicht wie bisher als Hilfsmotor an den Lenker, sondern integrierten ihn unter dem Rahmen. Fortschrittlich ausgeklügelt, wie bei modernen Motorädern. Bei den ersten Modellen Anfang der 1950er Jahre gab es jedoch wohl reichlich Bruch, weshalb der Rahmen verstärkt wurde. Aber auch das Prunkstück für die im kommenden Frühjahr geplante Moped-Ausstellung hat viel gelitten. „Die Hinterradfederung der Rubin war wahrscheinlich ein Flop, das funktionierte so einfach nicht, deshalb gab es mehrere Rahmenbrüche“, sagt Egon Tantius. Außerdem musste vorausschauend gefahren werden. Die Bremsen wurden als Trommelausführung vom Fahrrad übernommen. Es hieß also kräftig in den Rücktritt treten. MEIKE KLOIBER