■ Matthiesen-Affaire – neue Märchen, die Presse schaut weg: Ein Meister der Desinformation
In Düsseldorf gilt Umweltminister Klaus Matthiesen als das PR-Genie der Landesregierung. Seine fortwährende Medienpräsenz – „der begrüßt jeden Lachs im Rhein persönlich“ (Grüne) – bescherte ihm eine Popularität, die nur noch von der des Ministerpräsidenten Johannes Rau übertroffen wird.
Im Landtag beschäftigen sich derzeit gleich zwei Untersuchungsausschüsse mit Matthiesen. Was anderen Politikern den Angstschweiß auf die Stirn triebe, deutet der Umweltchef als Chance der Selbstdarstellung: Jeder neue U-Ausschuß mache ihn „nur populärer“. Nimmt man Presse und Rundfunk in NRW als Maßstab, dann könnte es für Matthiesen tatsächlich so kommen. Von der vierten Gewalt droht ihm wie so oft keine Gefahr. Sie schaut einfach nicht hin.
Fünf Millionen Mark hat Matthiesen Anfang 1990 außerplanmäßig für seine Hausmüllvermeidungskampagne, die exakt am Samstag vor dem Landtagswahltermin endete, bekommen. Als Vorraussetzung für die Genehmigung außerplanmäßiger Mittel nennt das Gesetz die „Unvorhersehbarkeit“ solcher Mehrausgaben. Mit sieben Sätzen begründete das Umweltministerium seinerzeit den dringlichen Bedarf gegenüber dem Finanzministerium. Der erste Satz lautet so: „Durch den zunehmenden Widerstand gegen die Müllverbrennung und den Fortfall der Deponierungsmöglichkeiten in der DDR spitzt sich das bestehende Müllproblem weiter zu.“ Für das Finanzministerium, so sagte der dort zuständige Ministerialrat vor dem Untersuchungsausschuß am vergangenen Freitag aus, war der Hinweis auf die DDR-Problematik das entscheidende Argument zur Gewährung der Mittel.
Doch eben dieses Argument war falsch. Tatsächlich hat NRW nie Hausmüll in die DDR exportiert. Wenn er das damals gewußt hätte, so der Zeuge, „hätte ich die außerplanmäßige Ausgabe nicht bewilligt“. Das Umweltministerium habe „unwahre Tatsachen vorgetragen“ und er fühle sich „getäuscht“. Daß das Umweltministerium sich dieser „Täuschung“ bewußt war, geht aus der Beantwortung einer kleinen Anfrage hervor, die die mißtrauisch gewordene CDU kurz nach der Landtagswahl 1990 gestellt hatte. Auf die Frage, wie die „Unvorhersehbarkeit“ begründet worden sei, lieferte das Umweltministerium nahezu wortgleich die frühere Erklärung. Nur der erste Satz, der Hinweis auf die DDR, der fehlte. Warum? Matthiesen hat vor dem U-Ausschuß als Zeuge erklärt, er habe den Text nur unterschrieben. Tatsächlich weisen die Entwürfe handschriftliche Bemerkungen des Ministers – „ich habe Änderungen!“ – auf. Über solche Kleinigkeiten verliert die NRW-Presse kein Wort.
Viel Platz wurde dagegen in den vergangenen Wochen der neuen Verteidigungsstrategie des Ministers eingeräumt. Das DDR-Argument habe er deshalb eingeführt, weil NRW bei Schließung der DDR- Grenzen Hausmüll aus anderen Bundesländern hätte aufnehmen müssen. Dafür, daß diese Argumentation während des Antragsverfahrens nie eine Rolle gespielt hat, gibt es eine einfache Erklärung. Sie ist sachlich absurd und dient allein der Reinwaschung.
Als vor einigen Wochen die extrem hohen Dioxinwerte aus dem Dortmunder Krupp-Hoesch-Stahlwerk bekannt wurden, suchte Matthiesens Ministerium die Werte zunächst als „wie erwartet“ und „keineswegs überraschend“ herunterzuspielen. Gleichzeitig wurde der Dortmunder Oberstadtdirektor von der Ministeriumsspitze brieflich aufgefordert, „die derzeitige Sprachregelung unseres Hauses“ zu übernehmen. Nach dem Scheitern der Verharmlosungsstrategie sprach Matthiesen selbst plötzlich von „unglaublich hohen Werten“. Ein Mann, der die Fakten biegt, wie es ihm gefällt. Dieser Mann will Rau beerben. Herzlichen Glückwunsch, NRW! Walter Jakobs
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