American Pie: Ein Mann im Rhythmus
■ Trainer Bill Parcells hat einen Plan: Alle vier Jahre will er in die Super Bowl
And I knew if I had my chance
Als die Green Bay Packers vergangenen Sonntag in New Orleans die Super Bowl gewannen, erinnerte nichts mehr an die glorreichen Zeiten des Teams in den 60er Jahren. Nichts außer dem Trainer des Gegners. Bill Parcells ist ein Typ wie Vince Lombardi, der die Packers zu fünf Meisterschaften coachte. „Ich wollte Trainer werden wegen Lombardi“, erzählt Parcells.
So trainiert er auch: Er glaubt an harte Arbeit, an Disziplin, und er liebt es, seine Spieler zu beschimpfen. Sein Quarterback Drew Bledsoe sagte einmal über ihn: „Manchmal möchte ich ihn nur anschreien: Halt's Maul. Ich glaube nicht, daß ich ein besserer Spieler werde, wenn er mich anbrüllt, aber so ist er halt, und so hat er gewonnen.“ Nur Parcells Musikgeschmack ist noch altmodischer als seine Methoden: Die 50er haben es ihm angetan.
Trotzdem gilt Parcells momentan als das Genie unter den NFL- Trainern, weil er nach zwei Super-Bowl-Erfolgen mit den New York Giants nun die vor der Saison als ganz und gar mittelmäßig eingestuften New England Patriots ins Spiel der Spiele führte. Damit ist er erst der zweite Trainer, dem das mit zwei verschiedenen Teams gelang.
Trotzdem wird Parcells aller Wahrscheinlichkeit nach den Klub verlassen. Sein Verhältnis zu Patriots-Besitzer Bob Kraft sei zerrüttet, heißt es. Im letzten Draft wollte der defensiv orientierte Parcells sich die Rechte an einem Topverteidiger sichern, aber Kraft entschied, den Paßempfänger Terry Glenn zu holen. Was noch schlimmer war: Glenn spielte eine großartige Saison, fing 90 Pässe und stellte damit einen Rookie-Rekord auf.
Wenn Parcells eins nicht leiden kann, dann, Unrecht gehabt zu haben. Also wird er wohl zu den New York Jets gehen, dem schlechtesten Team der abgelaufenen Saison. Die Spieler scheinen sich schon mit dem Gedanken abgefunden zu haben, daß der Coach bald ein anderer sein wird. Bledsoe erweckt nicht gerade den Eindruck, als würde er Parcells vermissen: „Wir haben eine junge Mannschaft. Und wir werden noch einige Jahre erfolgreich sein, auch wenn Bill weggeht.“
Es gibt allerdings auch die Theorie, daß Parcells die Gerüchteküche selbst angeworfen habe, um das übliche Super-Bowl-Ballyhoo von seinem Team weg auf sich zu konzentrieren. Und hatte nicht ausgerechnet der Boston Globe die Meldung von Parcells Wechsel lanciert, jene Zeitung, zu der sein Agent Bob Fraley ausgezeichnete Kontakte pflegt?
Aber vielleicht ist das alles ja nur ein Mosaiksteinchen in einem ungleich größeren Plan. Als Parcells die Giants übernahm, waren sie fast noch schlechter als die Jets heute. Vier Jahre später gewann er mit ihnen seine erste Super Bowl. Dann wurden sie wieder ziemlich mies, aber vier Jahre später folgte der zweite Erfolg. Anschließend trat Parcells mit Herzproblemen zurück, ließ sich einen Bypass legen, und tauchte zwei Jahre später bei den Patriots wieder auf. Seinen dritten Super Bowl erreichte er, na?, vier Jahre später.
Die Patriots sind jung und talentiert und lassen sich womöglich nicht noch einmal vier Jahre Zeit. Und die Jets sehen ganz so aus, als taugten sie für den Vierjahresrhythmus. Vorsorglich hat Parcells vor dieser Saison seinen Fünfjahresvertrag auf vier verkürzen lassen. Glaubt er zumindest, denn die Patriots sind anderer Meinung. Heute oder morgen wird NFL-Chef Paul Tagliabue über Parcells Zukunft entscheiden. Thomas Winkler
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