: Ein Mann der ersten Stunde
■ Jerzy Kanal, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde, feierte seinen 75. Geburtstag. Kohl und Clinton gratulierten
In Anwesenheit von Bundespräsident Roman Herzog und rund 400 Gästen beging der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Berlin, Jerzy Kanal, gestern seinen 75. Geburtstag. Während eines festlichen Empfangs im Jüdischen Gemeindehaus überbrachte der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Kurt Schelter, die Glückwünsche von Bundeskanzler Helmut Kohl. Die Bundesregierung danke dem Jubilar für seinen engagierten Beitrag bei der Wiederaufbauarbeit der jüdischen Gemeinde, deren Wirken für Deutschland wichtig sei. Kanal als Ratgeber, Mahner, Motor und Katalysator werde sowohl von der jüdischen Gemeinde als auch im wiedervereinigten Deutschland benötigt.
Der Präsident des Abgeordnetenhauses, Herwig Haase (CDU), würdigte das Wirken Kanals im „Sinne der Versöhnung zwischen Deutschen und Juden“. Kanal wie auch sein 1992 verstorbener Vorgänger Heinz Galinski gehörten zu den „Männern der ersten Stunde“, die trotz des selbst miterlebten Schreckens des Holocaust jüdisches Leben in Deutschland aus innerer Überzeugung wiederaufbauten, erinnerte Ignatz Bubis, Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland. Kanal war 1944 festgenommen und unter anderem ins KZ Auschwitz eingeliefert worden.
Zu den Gratulanten gehörte auch der amerikanische Präsident Bill Clinton, dessen Geburtstagswünsche verlesen wurden. Er habe sich bei seinem Berlinbesuch in der Neuen Synagoge vom Wiedererstehen jüdischen Lebens in Berlin überzeugen können.
Die Anwesenheit so vieler prominenter Persönlichkeiten wertete Kanal als Zeichen der „Solidarität und Verbundenheit“ mit der jüdischen Gemeinde. Die Bereitschaft in Deutschland, jedem Aufkommen von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Rechtsextremismus und Intoleranz entgegenzutreten, sei die Voraussetzung für das Leben der jüdischen Gemeinden, mahnte er. An die Adresse der Berliner Politiker richtete er den Wunsch, sich für die Eigenständigkeit des künftigen Jüdischen Museums einzusetzen.
Kanal war am Samstag 75 Jahre alt geworden. Über drei Jahrzehnte war er aktiv an den Geschicken der Gemeinde beteiligt. Nach dem Tod von Heinz Galinski übernahm er das Amt des Vorsitzenden in der größten jüdischen Gemeinde in Deutschland. Der Zustrom osteuropäischer Juden, vor allem aus der Ex-Sowjetunion, sorgte nach der Wende für eine Verdopplung und Verjüngung der Gemeinde, die gegenwärtig über 10.000 Mitglieder zählt. dpa
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