Lech Walesa als Filmheld
: Ein Mann der Hoffnung

Gabriele Lesser Foto: Rolf Zöllner

AUS WARSCHAU

Polen und die USA haben vieles gemeinsam – so wie den Lebenstraum der unbegrenzten Möglichkeiten und des gesellschaftlichen Aufstiegs. „Walesa. Mann der Hoffnung“ heißt der neueste Film des Altmeisters Andrzej Wajda. Wie kein Zweiter verkörpert der Arbeiterheld, Friedensnobelpreisträger und spätere polnische Präsident Lech Walesa den Traum „vom Tellerwäscher zum Millionär“ oder das stolze und zugleich selbstironische „Polak potrafi“ – Der Pole schafft das!

Die ganze Welt bewundert den schnauzbärtigen Elektriker von der früheren Lenin-Werft in Danzig und die von ihm geführte Freiheits- und Gewerkschaftsbewegung Solidarność. Es waren die Polen, dieses kleine aufmüpfige Volk zwischen Russland und Deutschland, die 1989 den Kommunismus in die Knie zwangen. Die Berliner Mauer fiel, der Ostblock und die Sowjetunion lösten sich auf. Was für eine Bedeutung hat es da noch, dass Walesa später Anfälle von Größenwahn hatte und als Präsident keine ganz so glorreiche Figur abgab?

In Polen, wo Walesa seit Langem hoch umstritten ist, schlugen die Wellen schon vor Beginn der Dreharbeiten hoch. Rechte Publizisten warfen dem vielfach preisgekrönten Regisseur vor, Walesa vom Vorwurf des „Spitzeldienstes für die polnische Stasi“ reinwaschen zu wollen. Der Filmemacher würde eine Hagiografie drehen, die Freiheitsbewegung Solidarność zur reinen Gefolgsmasse Walesas degradieren. Der 87-jährige Regisseur zeigt sich davon unbeeindruckt. Die meisten Polen würden „eine empathisch-ehrliche Darstellung“ erwarten. Viele erinnerten sich noch an die Zeiten leerer Regale, der Solidarność-Euphorie und des Kriegsrechts, als Tausende interniert wurden.

Das Drehbuch des Schriftstellers Janusz Glowacki knüpft an zwei Vorgängerfilme Wajdas an: „Der Mann aus Marmor“ (1977) und „Der Mann aus Eisen“ (1981). Im letzten Film des Triptychons übernimmt Walesa, meisterhaft gespielt von Robert Wieckiewicz, die Führungsrolle, die sein Filmvorgänger sich noch nicht zutraute. Berühmt bis heute ist Walesas Bonmot „Ich will nicht, aber ich muss!“

Ein Interview, das Walesa 1980 der italienischen Starreporterin Oriana Fallaci gab (gespielt von Maria Rosaria Ommagio), bildet das Gerüst für die geradlinig erzählte Geschichte von den ersten Streiks 1970, der Entstehung der Gewerkschaft Solidarność, der Ausrufung des Kriegsrechts durch General Jaruzelski 1981 bis zur berühmten Rede Walesas vor dem amerikanischen Kongress 1989, die er mit den Worten aus der US-Verfassung begann „We, the people.“ Es ist die einzige Szene, in der Wajda Originalbilder mit Walesa als Redner zeigt.

„Polen braucht diesen Film“, erklärt Andrzej Wajda. „Das Land ist so zerstritten. Dabei gibt es eine Geschichte, auf die alle Polen stolz sein können.“ Seit Anfang Oktober waren schon zehntausende Polen in dem neuen Kultfilm. Manche Kinos spielen ihn zehnmal am Tag hintereinander.

Die Reporterin Fallaci und Walesa mochten sich nicht. Die weltgewandte Intellektuelle fand Walesa primitiv und überheblich. Walesa wiederum ging ihr aggressive Fragestil auf den Geist. Im Film spürt man das kaum, da stimmt die Chemie. Doch besonders gut kommt Walesa in den Interviewszenen nicht weg. Von Hagiografie keine Spur. Und was meint der Filmprotagonist? Verärgert sagte Walesa nach der Premiere: „So ein aufgeblasener Wichtigtuer war ich aber wirklich nicht.“ Doch auch er hofft, wie viele Polen, auf einen Oscar für „Walesa. Mann der Hoffnung“.