■ Ein Mann Gottes will nach oben: Pastor Thießen, weitermachen!
Zwar hat die kürzlich stattgehabte Implosion der Schröder-Ehe die neue sozialdemokratische Richtlinienkompetenz für die Boulevardpresse eindrucksvoll bekräftigt. Fast verschüttgingen mit der Ehe des ambitionierten Pärchens jedoch Bemühungen, mit denen ein anderer Verfechter dieses Kurses nachdrücklich auf sich aufmerksam gemacht hatte – der weiland Liedermacher und jetzige Allroundkraftmeier Konstantin Wecker. In dessen Umfeld sich deshalb auch ein Jungpfarrer anschicken muß, sein Startloch wieder freizuschaufeln: Jörn Thießen, derzeit Gemeindepastor in Hamburgs „evangelischer Kirchengemeinde St. Gabriel zu Barmbeck“.
Die Zusammenhänge sind etwas verwickelt: Wecker absolvierte, wie erinnerlich, um den Jahreswechsel herum ein strammes Pensum: Erst eine Tournee mit Liedern „von der Liebe und vom Tod“, bei der der Scharping- Freund Journalisten wissen ließ, das Politische kotze ihn an, dann die bekannten Kokainkabale samt Untersuchungshaft und späterem Bunte-„Drogen-Gipfel“ mit Harald Juhnke; schließlich Anfang Februar die Münchner Hochzeit mit der 21jährigen Annik Berlin aus Bassum, einer Konzertbekanntschaft – nachdem er ihr, wie das Paar zumindest Herrn Biolek glaubhaft versicherte, seinen Antrag quasi durch die Gitterstäbe hindurch gemacht habe. Zum Zeremonienmeister des Höhepunkts von pomp & circumstances erkor Wecker dann kurzentschlossen Pastor Björn Thießen. Den er auf Björn Engholms 50. Geburtstag kennengelernt und offenbar als Seelenverwandten erkannt hatte.
Nicht nur, daß der auch schon Diverses hinter sich hat – so ein Abitur in Itzehoe, einen stellvertretenden Juso-Landesvorsitz in Schleswig-Holstein, Erfahrungen bei Brockdorf-Demos und Kirchentagspressestellen, ein begonnenes Schauspielstudium in München, 17 Semester Theologie. Nein, auch durch dunkle Machenschaften wurde ihm schon zugesetzt. Denn immerhin seinetwegen, ab 1985 Engholms persönlicher Referent, kam seinerzeit vielleicht Uwe Barschel, sicher aber Rainer Pfeiffer darauf, Engholm und seinen Mitarbeiter wegen möglicher gleichgeschlechtlicher Kontakte durch die legendäre Detektei Piel observieren zu lassen.
Mit Engholms Rücktritt ging Thießen, wie er der Frauenzeitschrift Allegra anvertraute, „eine naheliegende Lebensperspektive kaputt“. „Irgendwann wird Björn Thießen eine wichtige Rolle spielen“, schwante der Illustrierten dennoch und fertigte den Exreferenten vorsorglich auf drei Seiten ab. Denen war Stichhaltiges zu entnehmen wie, daß „der attraktive Blonde“ zwar problemlos als Kreativer einer Werbeagentur oder Schauspieler durchginge, die Nach-Engholm-Zeit aber erst einmal ein Jahr lang beim „RTL- ,Kreuzfeuer‘ mit TV-Großmaul Jörg Steinhöfel“ beziehungsweise „mit Seelsorge auf einer Intensivstation“ durchstand – um dann den 26. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Hamburg „als Sprecher zu begleiten“.
Das, so Thießen, sei „Ramba- Zamba-Kirche“ gewesen. Von der die Öffentlichkeit dem jungen Seelsorger zufolge sonst viel zu wenig geboten bekomme: „Auf keiner Vernissage in Hamburg triffst du außer zwei Pastoren jemand anderes aus der Kirche, und das sind die, die ich eh schon duze. Das verstehe ich nicht – warum sind wir da nicht anwesend?“ Neben solchen topkontroversen Anliegen stören ihn an ungeduzten Amtsbrüdern häufig rutschende Socken: „Viele sind gute Sozialarbeiter, aber schlechte Pastoren. Ich will eine fundierte Predigt und eine gute Grabrede halten – damit habe ich erst mal genug zu tun.“ Simultan, aber wiederum auch nicht, weiß er doch, daß es in seinem Leben „immer Phasen von vier bis sechs Jahren gibt, da muß irgendwas passieren“.
Allegra-Leserinnen erfuhren jedenfalls abschließend, daß er derzeit „mit einem Hamburger Privatsender über eine eigene TV-Sendung“ verhandele. Wovon bisher noch nichts Spruchreifes verlautete. Itzehoes Lokalpresse konnte jedoch anläßlich vertiefter Berichterstattung über den dort aufgewachsenen Wecker-Pfarrer einen neuen Thießen-Durchmarsch vermelden: seine Aufnahme in die „Deutsche Luther-Gesellschaft“.
„Vermutlich liegen zwischen mir und den restlichen Mitgliedern dreißig Jahre Altersunterschied“, so Thießen zufrieden. Das steht zu hoffen; darüber hinaus auch, daß die alten Herrschaften ihrem flotten Vorbeter, für sie vermutlich ein Ausbund an zeitgemäßer Glaubensstärke, jetzt auch immer schön brav hinterherwackeln. Er „arbeite an der Vision, Kirche spannend zu machen“, faßte Thießen seine Absichten für das Itzehoer Zeitungspublikum zusammen. Ein Projekt, das sich wohl so übergangslos mit den Konzeptionen des ekstatischen Visionärs Wecker zusammenreimte, daß dieser partout auf einer Ramba-Zamba-Kirchen-Trauung bestand, für die Thießen auch Rudolf Scharping samt Bodyguards sowie den jungen katholischen Bischof, den Kameruner Jean Bosco Ntep, gewinnen konnte.
Ins ersehnte Firmament medialer Omnipräsenz hat Thießen der Prominentenauflauf in der St.-Lukas-Kirche noch nicht ganz katapultieren können. Dennoch – aus dem Windschatten des teils getrennt, teils wie im Wahlkampf in Rheinland-Pfalz auch gemeinsam agierenden Erfolgs-Büßerduos Scharping/Wecker steht sicher bald Neues ins Haus. Und sei's, daß der „politisch Infizierte“ nach einem Intermezzo als Animateur beziehungsweise Medienlausbub führender SPD-Politiker uns am Ende doch noch aus einer Gameshow entgegenstrahlt, den Zustand von SPD und Protestantismus noch einen Tick idealtypischer zu verkörpern. Christian Meurer
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