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Ein Land geht vor die Hunde

Simbabwe nach der Landreform: Lebensmittel sind teuer und knapp. Benzin und Strom gehen zur Neige, weil die Regierung keine Devisen mehr hat

aus Harare GODFREY KARORO

Im ehemals verhältnismäßig reichen Simbabwe im südlichen Afrika sind Benzin und Strom zur Mangelware geworden. Der Grund: Der Regierung fehlen aufgrund des Zusammenbruchs der kommerziellen Landwirtschaft nach der von Staatschef Robert Mugabe erzwungenen Landreform Devisen. Deshalb kann sie ihre Lieferverträge für diese beiden wichtigsten Importgüter nicht mehr erfüllen. So droht Simbabwe der komplette ökonomische Stillstand.

Lange Autoschlangen bilden sich sofort, wenn an einer Tankstelle in Harare Benzin oder Diesel zu haben ist. Benzin wird schon seit zwei Jahren knapper, aber so schlimm wie jetzt war die Lage noch nie. Ein zusätzliches Problem ist, dass nach dem Schwarzmarktkurs der simbabwischen Währung die Benzinpreise niedriger sind als in jedem anderen Land der Region. So tanken die Fernfahrer am liebsten in Simbabwe und bezahlen mit auf dem Schwarzmarkt gekaufter lokaler Währung.

Seit einem Jahr bekommt Simbabwe 80 Prozent seines Benzins von Libyen. Nach dem Liefervertrag überträgt Simbabwes Regierung Staatseigentum an Libyen im Gegenzug für Benzinlieferungen im Wert von 360 Millionen Dollar. So hat Libyen hat schon mehrere hochproduktive Farmen von enteigneten Weißen bekommen, außerdem Anteile an der staatlichen Commercial Bank of Zimbabwe und dem Reiseveranstalter Diamond Tourism Group. Aber der Vertrag lief Ende August aus, und Libyen steht unter internationalem Druck, dem Mugabe-Regime nicht weiter zu helfen.

Simbabwe lebt jetzt von den Reserven der letzten libyschen Lieferungen. Die restlichen 20 Prozent des Benzinbedarfs kommen über Südafrika von der malaysischen Ölfirma Petronas, die mit einer Kreditgarantie der simbabwischen Regierung in Höhe von 20 Millionen US-Dollar arbeitet. Aber nach Branchenangaben kann die Regierung dies nicht länger garantieren.

Nicht nur die Treibstofflage ist kritisch. Es kommt inzwischen auch mehrmals am Tag zu Stromausfällen – früher in Simbabwes Städten unbekannt. Die staatliche Elektrizitätsbehörde Zesa schuldet ihren Lieferanten Millionensummen: der Demokratischen Republik Kongo zwei Millionen Dollar, Mosambik 40 Millionen US-Dollar, Südafrika noch mehr. Die drei Länder haben gedroht, die Stromleitungen zu sperren, wenn nicht bald bezahlt wird.

Solche wirtschaftlichen Abhängigkeiten sind viel problematischer für die simbabwische Regierung als der politische Druck von EU oder Commonwealth wegen der Zwangsenteignungen der weißen Farmer. Wenn es um Geld geht, haben die Lieferanten keine Geduld. „Oktober und November sind die kritischen Monate“, sagt der Geschäftsmann Philip Cheke. „Vor Weihnachten wird auf jeden Fall etwas passieren.“

Die mit der Wirtschaftsmisere einhergehende Hyperinflation macht es vielen fast unmöglich, sich zu ernähren. Die Kosten für einen 20-Kilo-Behälter des Grundnahrungsmittels Mais sind seit Anfang September von 250 auf 3.000 Simbabwe-Dollar gestiegen. Immer wieder werden routinemäßig Preise für Konsumgüter verdoppelt, während Löhne gleich bleiben. Die offizielle Inflationsrate von 140 Prozent im Jahr erscheint untertrieben. Dienstleistungen im Bildungs- und Gesundheitswesen sowie Mieten und Benzinkosten werden zusätzlich verteuert, weil sie an den Schwarzmarktkurs des Simbabwe-Dollars gekoppelt sind – der liegt bei 750 zu einem US-Dollar, gegenüber dem offiziellen Kurs von 56:1.

Streiks nehmen zu. Die staatliche Fluglinie Air Zimbabwe entließ Anfang Oktober dutzende Ingenieure nach zwei Monaten Streik und sagte, es sei billiger, Flugzeuge in Südafrika, Äthiopien oder Großbritannien warten zu lassen, als die Gehälter den Lebenshaltungskosten anzupassen.

Monatelang waren die jungen Ärzte im Ausstand. Als die Regierung ihnen erst mit Massenentlassung drohte und dann eine 100-prozentige Gehaltserhöhung zugestand, weitete sich der Streik auf Chefärzte, Radiologen und Apotheker aus. Auch Universitätsdozenten traten in den Ausstand. Vergangene Woche entließ die Regierung rund 700 streikende Lehrer, nachdem sie für 200 Prozent mehr Gehalt gestreikt hatten. Bildungsstaatssekretär Thompson Tsodzo kündigte jedoch eine Überprüfung der Lehrergehälter an, die bei 25.000 Simbabwe-Dollar im Monat liegen – 33 US-Dollar nach dem Schwarzmarktkurs. Simbabwe ist eines der wenigen Länder, in dem ausgebildete Lehrer weniger verdienen als Soldaten und Polizisten.

Die meisten Streiks nennt die Regierung illegal und macht die politische Opposition dafür verantwortlich. Aber auch von der Opposition geführte Einrichtungen wie der Stadtrat der Hauptstadt Harare werden bestreikt. Indem die Streikwelle beide politischen Lager trifft, reflektiert sie eine zunehmende Desillusionierung einfacher Simbabwer über Politiker im Allgemeinen.

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