: Ein Kultfilm des Kulturkonflikts
■ „Unbefleckte Empfängnis“ von Jamil Delhavi (Panorama Special)
Eine Viper windet sich durch Nasenloch und Gaumen zum Mund des Beschwörers wieder heraus. Ohne die erzählerische Begabung Rushdies über Pakistan schreiben zu wollen, ist ein unfruchtbares Unterfangen, ohne seinen Sinn für Politik, Ironie und Magie den englisch-pakistanischen Film Unbefleckte Empfängnis zu kritisieren, nicht minder vergebens.
Worum es in dem 2 1/4stündigen, wahrhaft phantastischen Bildersturm zu den Klängen der Qawwalis von Abida Parveen und Ustad Fateh Ali Khan geht, vermag selbst Regisseur, Drehbuchautor und Produzent Jamil Delhavi nicht auf Anhieb in Worte zu fassen. „Am Anfang war ein erotisches Bild von einer unbewußten Empfängnis. Daraus entwikkelte sich die Geschichte“: Die Tochter einer jüdischen US-Senatorenfamilie (Melissa Leo) und ihr in Pakistan tätiger britischer Ehemann (James Wilby) sehnen sich nach einem Kind. Eine pakistanische Freundin rät ihnen, den Schrein des Eunuchen Ghulab Shah aufzusuchen, von dem es heißt, daß er Unfruchtbarkeit zu heilen vermag. Allein, als gute Muslimin glaubt Samira nicht an die unbefleckte Empfängnis — im Gegensatz zu Hannah, der vom Kinderwunsch besessenen Amerikanerin, die sich lieber der Hilfe der Hijras (Eunuchen) als der sterilen Apparate-Medizin anvertraut und sogar zum Islam übertritt. Ein Schritt, der im Jahre 1988 weite Kreise zieht...
Nach dem Absturz des gläubigen General Zia ul Haq und der Wahl Benazir Bhuttos zur ersten Premierministerin eines islamischen Landes wurden bei einer Demonstration gegen die „Satanischen Verse“ vor der US-Botschaft in Islamabad fünf Menschen getötet, woraufhin der Iran die Fatwa gegen Salman Rushdie aussprach.
Zu Zeiten des Golfkriegs unter widrigen Umständen gedreht, hatImmaculate Conception das Potential zum homo- und erotischen Kult- Film des Kulturkonflikts zwischen Christentum, Judentum und Islam. Delhavi, Sohn einer französischen Mutter und eines pakistanischen Vaters, dessen Film Das Blut Hussains unter dem Zia-Regime verboten war, fürchtet mit seinem Film in Pakistan nicht wegen der ironischen Anspielungen auf die „Satanischen Verse“ Anstoß zu erregen: wenn es zur Zensur komme, dann eher wegen der erotischen Szenen. Simone Lenz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen