piwik no script img

Ein Kessel Rapidler

Vor dem Wiener Derby wird ein Fan-Marsch der Gästefans von der Polizei aufgehalten. Sieben Stunden dauert es, bis die Maßnahme beendet ist. Der Präsident des SK Rapid spricht von einem Skandal

Aus Wien Moritz Ablinger und Benjamin Schacherl

Sonntagnachmittag, Wiener Derby in der österreichischen Bundesliga. Die Austria empfängt am letzten Spieltag vor der Winterpause den Stadtrivalen Rapid. Die Rapid-Fans reisen geschlossen in den zehnten Bezirk. Das Stadioninnere wird keiner der rund 1.300 Anhänger erblicken. Denn zwei Stunden vor Spielanpfiff kommt der Rapid-Fanmarsch zum Stillstand. 100 Meter, nachdem sich die Fans in der von der Polizei im Vorfeld definierten Sicherheitszone befinden, ist Endstation.

In einem acht Meter engen Durchgang werden die Anhänger festgehalten. Neben ihnen und einige Meter weiter unten führt die Stadtautobahn A23, die Süd-Ost-Tangente, vorbei. Sie ist eine der meistbefahrenen Straßen Österreich und auch der Grund für die polizeiliche Maßnahme. Einige Schneebälle sind auf die Autobahn geflogen, noch vor den Identitätsfeststellungen, so viel steht fest. Die Polizei spricht auch von Wurfgegenständen und Pyrotechnik, die Fans auf die Straße unter ihnen geworfen hätten. Für eine Viertelstunde wird die A23 gesperrt. In der Sicherheitszone Grund genug, um die Fans erkennungsdienstlich zu behandeln.

Dieser Darstellung wollen die Rapid-Anhänger nicht so ganz glauben. Vor allem deswegen, weil alles rund um die Szenerie von langer Hand vorbereitet wirkt: Zahlreiche Kameras des Verfassungsschutzes sind an der Stelle bereits in Stellung gebracht. Stapelweise liegen A4-Zettel von Wegweisungen bereit, in denen den Fans erklärt wird, dass sie die Sicherheitszone nach Erhalt des Papiers unverzüglich zu verlassen haben.

„Es gab seitens der Polizisten keinerlei Hektik, sie haben uns erwartet“, sagt der Sprecher der Solidargemeinschaft Rechtshilfe Rapid, Helmut Mitter. „Wäre wirklich Gefahr in Verzug gewesen, hätte die Szenerie anders ausgesehen.“ In einem Statement bezeichnet die Rechtshilfe Rapid das Vorgehen der Polizei „als völlig unverhältnismäßig und einen gezielten Angriff auf die Rapid-Familie.“ Zum Vorwurf, wonach die Wurfgegenstände als Vorwand dienten, um die Rapid-Fans stundenlang festzuhalten, gab die Polizei bis Montagnachmittag keine Stellungnahme ab.

Nach sieben Stunden, um 21.55 Uhr, kommen die letzten Rapid-Fans aus dem Polizeikessel. Das Wiener Derby ist da bereits seit drei Stunden abgepfiffen. Auch der Präsident des Vereins, Michael Krammer, findet sich für die letzten Stunden der Maßnahme am Schauplatz der Amtshandlung ein. In einer Aussendung kritisierte er die Polizei am Montag scharf: „Ich habe als ehemaliger Offizier des Bundesheers großes Verständnis für rechtsstaatliche Prinzipien. Was ich am Sonntagabend erlebt habe, hätte ich aber im Rechtsstaat Österreich nicht für möglich gehalten.“

Auch Helmut Mitter von der Rechtshilfe zeigt sich überrascht. Er meint, dass das Vorgehen der Polizei rund ums Derby „eine neue Dimension bekommen hat“. Schon in der Sicherheitsbesprechung zu Beginn der Woche habe es die Ankündigung von der Polizei gegeben, dass womöglich die Gästefans das Stadion nicht erreichen. „Wir haben aber eher mit Provo­kationen am Einlass gerechnet, aber nicht damit, dass sie uns nicht ins ­Stadion lassen“, sagt Mitter.

Auseinandersetzungen zwischen Fans und Polizei sind auch in Österreich keine Seltenheit, ein Kessel vor Spielbeginn, der fast alle Gästefans einschließt, ist aber neu. Rapid-Präsident Krammer sagt: „Ich halte es für skandalös, 1.338 Personen aufgrund Verfehlungen von Einzelnen auf diese Art zu behandeln und unter Generalverdacht zu stellen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen