piwik no script img

Ein Kampf gegen Windmühlenflügel

■ Die Präsidentin der Humboldt-Universität Marlis Dürkop kandidiert aus Protest gegen den Sparkurs des Senats nicht für eine zweite Amtszeit. "Die Universität bräuchte drei Jahre Zeit, um sich zu konsolidier

taz: Frau Dürkop, Sie begründen Ihren Verzicht auf eine erneute Kandidatur mit den rigorosen Sparmaßnahmen, die die Große Koalition den Universitäten zumutet. Haben Sie keine Kraft mehr zu kämpfen?

Marlis Dürkop: Um zu kämpfen, muß man abschätzen, was bevorsteht. Ein Kampf muß eine gewisse Aussicht auf Erfolg haben, und ich sehe nicht, daß diese Universität in den nächsten vier Jahren einigermaßen Planungssicherheit haben wird. Es ist ein Kampf gegen Windmühlenflügel. Ich habe hier schon einmal abbauen müssen und habe die Universität wieder aufgebaut. Ich kann nicht wieder abbauen.

Hatten Sie gehofft, mehr gestalten zu können?

Ja. Daß wir so in den Rahmen des westlichen Hochschulsystems gezwängt worden sind und so wenig Spielräume hatten, das hatte ich mir nicht vorgestellt. Ich hatte gehofft, mehr von den eigenen Vorstellungen der Universität einbringen zu können. Dazu kam relativ überraschend der immer weitere Abbau der ursprünglichen Planung. Von 4.266 Stellen, die uns 1991 zugestanden worden sind, mußten wir mittlerweile 861 wieder abbauen.

Was ist von den Reformideen, mit denen Sie angetreten sind, übriggeblieben?

Wir haben viele Reformansätze im Kern angelegt, ohne daß wir sie bislang aus Zeitgründen umsetzen konnten. Wir haben eine Studienberatung eingeführt. Das alles muß in Ruhe umgesetzt werden, und die Ruhe haben wir nicht. Wir bräuchten jetzt drei Jahre Zeit, um uns zu konsolidieren. Statt dessen werden wir ständig mit neuen Sparvorschlägen konfrontiert.

Was konnten Sie noch verwirklichen?

Die Universitätsleitung hat bei der VW-Stiftung Gelder zur Verbesserung der Managementstrukturen der Universität und zur Verbesserung eines leistungsorientierten Systems in Lehre und Forschung beantragt. Wir haben gute Aussichten, den Antrag bewilligt zu bekommen. Das würde bedeuten, daß wir dafür fünf Jahre lang zusätzliche Mittel bekommen.

Es hat sich eine Menge Unmut über Ihre Amtsführung angestaut.

Jeder hatte so seine Erwartungen. Man kann nicht alle erfüllen. Die Zwänge, denen man als Leitung ausgesetzt ist, werden ungeheuer unterschätzt. Wir haben in den ersten zwei Jahren meiner Amtszeit aufgrund der gesetzlichen Regelungen sehr wenig Freiräume gehabt. Die Strukturentscheidungen sind von außen getroffen worden. Eine Vielzahl der Haushaltsentscheidungen, mit denen viele Universitätsmitglieder unzufrieden sind, was die Einstellung von Personal angeht, die treffen nicht wir, sondern die treffen immer noch der Innen- oder der Finanzsenator. Wir stehen unter unglaublich vielen Außenzwängen, die mich genauso nerven, wie diejenigen, die sie betreffen. Ich kann verstehen, daß viele unzufrieden sind. Hier sind so viele Dinge gleichzeitig zu lösen, daß man häufig auch selbst unzufrieden ist.

Viele sind enttäuscht, weil Sie sich nicht deutlicher gegen die Sparpläne ausgesprochen haben.

Was wollen denn die Leute noch? Ich sage das jeden Tag dreimal, überall. Ich habe Versammlungen organisiert. Was soll ich denn noch mehr sagen? Ich finde diese Erwartungen unbegreiflich.

Wäre es nicht sinnvoller, einzelne Fachbereiche aufzugeben, als alle auf ein unerträgliches Minimum zu stutzen?

Wir sind in einer anderen Lage als die anderen Universitäten. Die Humboldt-Universität ist von Kopf bis Fuß umgekrempelt worden. Wir haben 25 Studiengänge eingestellt, 10 sind fusioniert worden. Wir haben 3.500 Mitarbeiter entlassen. Wir haben bereits 20 Millionen Mark eingespart, das sind zehn Prozent unserer Professoren samt Ausstattung. Wir haben keine Spielräume mehr. Man kann an einer gerade völlig neu gestalteten Universität nicht einzelne Institute zur Disposition stellen. Wir können doch noch gar nicht sagen, welches Fach nicht funktioniert. Die haben doch gerade alle neu angefangen. Wir können überhaupt noch nicht beurteilen, wo Schwachstellen sind oder wo keine Nachfrage ist. Ich habe dem Wissenschaftsausschuß vorgeschlagen, geben Sie uns fünf Jahre, dann können wir sagen, wo man etwas ändern muß.

Sie sprechen in der Zeitschrift der Humboldt-Uni von heftigen Angriffe auf ihre Person, die persönlich schwer auszuhalten seien. Worum ging es?

Da ging es um den Fall Krelle. Die Junge Welt hat aufgrund von ungeprüften Vorwürfen den Ehrendoktor Professor Krelle als SS- Offizier bezeichnet und in diesem Zusammenhang auch die Präsidentin angegriffen. Das stecke ich nicht so einfach weg. [Krelle hatte zu Kriegsende als Wehrmachtsoffizier bei einer Einheit der Waffen-SS gekämpft; d. Red.]

Auf eine Stellungnahme von Ihnen wartete man bisher vergeblich.

Wir prüfen diese Vorwürfe gewissenhaft. Bevor man sich äußert, muß man die Fakten kennen. So gewissenlos gehe ich mit Schicksalen von Leuten nicht um.

Sie sind die erste Präsidentin der Humboldt-Uni seit 182 Jahren. Hatten Sie Schwierigkeiten mit den Männerbünden an der Universität?

An der Humboldt-Uni hat man als weibliche Leitung weniger Schwierigkeiten als im Westen. Zu dieser Frage werde ich mich nach Ablauf meiner Amtszeit äußern. Darüber gibt es viel zu sagen.

Sie haben kürzlich gesagt, es wäre an der Zeit, sich offensiver mit der Vergangenheit der Humboldt-Universität auseinanderzusetzen.

Da gibt es in der Tat Konflikte. Bislang arbeiten einzelne Fakultäten darüber, und man unterhält sich auch intern. Aber das genügt nicht. Es gibt einen klaren Dissenz, wie bestimmte Dinge zu bewerten sind. Das ist auch nicht verwunderlich. Manche Leute sagen, man muß mit der Debatte um Informelle Mitarbeiter endlich aufhören. Ich gehöre zu denen, die sagen, das geht nicht. Das schafft Fronten.

Ist es Ihnen gelungen, ein Forum für diese Debatte zu schaffen?

Das habe ich immer punktuell versucht, aber mit dem Erreichten bin ich nicht zufrieden. Allerdings kann eine Präsidentin nicht alles machen. Sie kann nicht stellvertretend die Vergangenheit einer ganzen Einrichtung bewältigen. Es müssen auch genügend Menschen da sein, die das mittragen und veranstalten. Es hat in einzelnen Fakultäten wie Jura und Geschichte durchaus Symposien gegeben. Auf so etwas ist man angewiesen. Ich kann so etwas anregen, aber ihre Vergangenheitsbewältigung müssen die Menschen schon selbst in die Hand nehmen. Interview: Dorothee Winden

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen