Ein Jahr nach den Atompannen: Vattenfall kämpft gegen Transparenz
Zum Jahrestag der Pannen in Krümmel und Brunsbüttel sind zugesagte Verbesserungen noch unerledigt. Betreiber Vattenfall wehrt sich gegen die Weitergabe von Sicherheitsinformationen.
BERLIN taz Einem simplen Kurzschluss folgte gleich eine ganze Pannenserie: Heute vor einem Jahr ging das Atomkraftwerk Brunsbüttel vom Netz. Kurz darauf wurde auch das benachbarte AKW Krümmel per Schnellabschaltung runtergefahren, nachdem ein Großbrand in einem Trafogebäude ausgebrochen war. Erst nach und nach erfuhr die Öffentlichkeit das wahre Ausmaß der Panne - fehlerhafte Ventile am Sicherheitsbehälter, Druckabfall und Wasserverlust im Reaktor, Rauchgase in der zentralen Leitwarte. Das kostete nicht nur den deutschen Vattenfall-Chef Klaus Rauscher seinen Job und Vattenfall rund 250.000 Kunden; weil bei den Reparaturen auch noch fehlerhafte Dübel und beschädigte Armaturen entdeckt wurden, stehen die Kraftwerke bis heute still.
Seitdem sollte eigentlich alles besser werden. Vattenfall versprach eine "neue Informationspolitik" und "verbesserte Abläufe". Während das Unternehmen gute Fortschritte bei der Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen sieht, berichten die zuständigen Behörden von Widerstand des Energiekonzerns. Ein wichtiger Streitpunkt ist die Frage, ob Gespräche in der Leitwarte künftig aufgezeichnet werden sollen, um Fehler gegebenenfalls besser aufklären zu können. Das schleswig-holsteinische Sozialministerium als Aufsichtsbehörde will die Audioaufzeichnung verbindlich einführen, doch Vattenfall wehre sich dagegen, sagte der zuständige Referatsleiter Wolfgang Cloosters der taz. Vattenfall-Sprecher Ivo Banek bestätigte, dass das Unternehmen in der Aufzeichnung "keinen Sicherheitsgewinn" sieht. Das Land ist aber entschlossen, den Plan auch gegen Vattenfalls Widerstand umzusetzen.
Ebenfalls schlechte Erfahrungen mit Vattenfalls neuer Transparenz machte das Bundesumweltministerium. Vom neuen "Betreiberkodex zur verbesserten Information von Öffentlichkeit und Politik", den die Energiekonzerne im August angekündigt haben, hat man dort seitdem nichts mehr gehört. Und als das Bundesministerium im Mai für die Entscheidung über Vattenfalls Antrag auf eine längere Laufzeit für Brunsbüttel Unterlagen über den Sicherheitszustand aus dem Ministerium in Schleswig-Holstein anforderte, wollte Vattenfall zunächst verhindern, dass diese Informationen an den Bund weitergegeben werden, berichtete der zuständige Unterabteilungsleiter Dieter Majer. "Das passt nicht wirklich zur angekündigten Transparenz." Vattenfall bestätigte den Streit um die "Zuständigkeit", der mittlerweile aber beigelegt sei.
Auch Greenpeace machte die Erfahrung, dass Vattenfall manche Informationen bis heute nicht freiwillig herausgibt: Erst nach einem sechsjährigen Gerichtsverfahren willigte der Konzern diese Woche ein, dass der Umweltorganisation Akten über einen Unfall ausgehändigt werden, der sich 2001 in Brunsbüttel ereignet hatte. Vattenfall hatte die Unterlagen als "Betriebsgeheimis" deklariert und Sicherheitsgründe gegen die Herausgabe angeführt. "Die angebliche Offenheit von Vattenfall ist eine reine PR-Maßnahme", kommentierte Greenpeace-Atomexperte Heinz Smittal. "Der Konzern wehrt sich weiterhin gegen Transparenz, wo er nur kann." Umweltverbände riefen darum zum Jahrestag der Atompannen dazu auf, von Vattenfall zu Ökostromanbietern zu wechseln.
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