Ein Jahr Grüne Bewegung im Iran: "Glut unter der Asche"
Auf den ersten Blick hat die Regierung über die Opposition im Iran gesiegt. Trotzdem ist gerade die Jugend hoffnungsvoll. Zum Jahrestag sind Proteste am Platz des Friedens geplant.
Im Vorfeld des 12. Juni, des Jahrestages der iranischen Präsidentschaftswahlen ("Where is my vote?"), rüstet das Regime zur Entscheidungsschlacht mit der Grünen Bewegung. Es geht um Zeichensetzung: Die Zustimmung des Volkes und der ideologische Rekurs auf die glorreiche Revolution und deren ins Mythische verklärten Führer Imam Chomeini sollen die jetzigen Machthaber beglaubigen und die Opposition delegitimieren.
So wurden die Massen letzte Woche zum 21. Todestag des Revolutionsführers von überall her zur "machtvollen Demonstration" nach Teheran gekarrt. Für Busse, Schlafplätze, Essen, Kulturprogramm und eine Rede des Obersten Geistigen Führers war bei diesem staatlich bezahlten Polittourismus bestens gesorgt.
Zwei Millionen Paramilitärs
"Der Monat Juni gehört dem Imam", hatte der Kommandant der Revolutionswächter, Mohammad Ali Dschafari, vor Kurzem bei einer Lagebesprechung verkündet, "der Juni ist der Monat, der das Schicksal der Revolution entscheidet." Was also, so ist der Kommandant zu verstehen, hat an einem Tag des Monats Juni, eines Monats, "den Imam Chomeini besonders liebte" (Dschafari), die Opposition auf den Straßen der Hauptstadt zu suchen?
Die Grüne Bewegung will am Jahrestag der umstrittenen Wahlen am Platz der Freiheit demonstrieren. Dschafari kündigte an, zwei Millionen Basidschi, Angehörige der paramilitärischen Milizen, nach Teheran zu verlegen.
Die Oppositionsführer Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karubi haben mit Verweis auf Paragraf 27 der iranischen Verfassung offiziell um Erlaubnis nachgesucht, friedliche Versammlungen abzuhalten: eine demonstrative Betonung von Rechtsstaatlichkeit und Verfassungstreue. Das Regime hat sie nicht einmal einer Antwort gewürdigt.
Offensiv hatten die Führer der Grünen Bewegung dazu aufgerufen, die "nationale Bewegung für Rechte und Gerechtigkeit" voranzubringen. Dabei beziehen sich Mussawi und Karubi auf die Ideale der Revolution, die 1979 unter Führung von Imam Chomeini gegen Diktatur und Tyrannei (des Schahs) gekämpft hatte.
Wem also gehört die Revolution? Wer sind die Erben? Der Enkel des Revolutionsführers, Hassan Chomeini, ist es auf jeden Fall nicht mehr. Als Verwalter sowohl des Chomeini-Mausoleums wie des Chomeini-Instituts ist der junge Kleriker offiziell für das Gedenken an seinen Großvater und die Edition seiner Schriften zuständig, um, so der ursprüngliche Auftrag, "jegliche Verdrehung seiner Gedanken und Formulierungen zu verhindern".
Doch dieses Jahr haben die Revolutionswächter die Totenfeier usurpiert und Hassan, der Sympathien für Mussawi hegt, in Abseits gedrängt: eine kühle Enteignung der Familie und eine Vereinnahmung des Gründungsvaters der Islamischen Republik.
Chomeini für alle - Alten
Bei der Feier selbst wurde Chomeinis Enkel von der aufgeputschten Menge niedergeschrien: "Der Feind kommt auch von innen!" Kommandant Dschafari, einer der mächtigsten Männer des Landes, führt nicht nur die Bataillone der Revolutionswächter und der Basidschi-Milizen.
Als Direktor des Zentrums für strategische militärische Forschung hat er sich mit den "farbigen" oder "samtenen" Revolutionen beschäftigt. Fazit: "Die Revolution muss an vielen Fronten verteidigt werden." Er spricht von der Notwendigkeit, dass sich das Militär in die Politik einmischt, um das "heilige Regime" der Islamischen Republik zu erhalten.
Gegen die Vermischung von Politik und Militär wendet sich die "Versammlung der kämpfenden Geistlichkeit", ein Zusammenschluss reformorientierter Kleriker, ebenfalls unter Verweis auf Imam Chomeini. Dieser habe sich für eine klare Trennung der Bereiche ausgesprochen, alles andere sei eine Abweichung von der Linie des Imam - und begünstige eine Machtergreifung des Militärs; aber das sagt niemand laut.
Beide Lager reklamieren Imam Chomeini als Patron und Gewährsmann, als Säulenheiliger hat er in beiden Fraktionen einen Ehrenplatz. Nicht zufällig: Die Führer des einen wie des anderen Lagers waren Revolutionäre der ersten Stunde und Verehrer und enge Mitarbeiter des Republikgründers - die Hardliner wie der Oberste Geistige Führer, der höchste Militär und der jetzige Präsident (Chamenei, Dschafari, Ahmadinedschad) ebenso wie die Reformer um die Expräsidenten und den Exparlamentssprecher (Mussawi, C hatami, Karubi).
Und so wird Imam Chomeini ausgeschlachtet - im fundamentalistischen Kontext zur Verteidigung der bestehenden Machtverhältnisse und zur Immunisierung gegen die "arroganten" Mächte des Westens, im Kontext der Reformer als Neuerer und Freiheitskämpfer gegen Diktatur und Repression. Ein Schicksal übrigens, das er mit vielen Revolutionsführern, so auch mit Mohammed selbst, teilt.
Was die Jugend interessiert
Die gealterte Garde bekämpft sich erbittert, es geht um Macht, aber auch um die Deutung ihrer Geschichte - wofür haben sie denn vor 30 Jahren ihr Leben in die Waagschale geworfen? Welches Erbe hinterlassen sie ihren Kindern? Doch diese Kinder sind selbst Grund zu heißer Sorge: Mohammad Mohammadian, Berater des Obersten Geistigen Führers in Universitätsangelegenheiten, zitierte jüngst eine Umfrage, nach der 70 Prozent der Studierenden bei den Wahlen "gegen Ahmadinedschad" gestimmt hätten.
Und auch Jahja Rahim Safawi, Dschafaris Vorgänger bei den Revolutionswächtern, klagt: "Es gibt nicht mehr genug Kräfte, die sich dem Geistigen Führer verpflichtet fühlen."
Wenn inzwischen über 50 Prozent der Bevölkerung nach der Revolution geboren wurde, was bedeuten diesen 36 Millionen junger Menschen noch die ideologischen Grabenkämpfe und ein Revolutionsführer Chomeini?
"Von allen Ecken aus versuchen wir den Eisblock abzuschmelzen", schrieb eine Kommentatorin nach den niedergeschlagenen Aschura-Demonstrationen im Januar. Doch die Sehnsucht nach Freiheit ist das eine, die Anstrengung der meisten gilt dem Überleben bei hoher Inflation, einem Rückgang des wirtschaftlichen Wachstums und drohenden Streichungen der Subventionen für alltägliche Güter.
Und wie geht es nun weiter mit der Grünen Bewegung, diesem nach der Ära des Präsidenten Chatami zweiten großen Anlauf, Reformen in der Islamischen Republik durchzusetzen? "Glut unter der Asche", lautet die stereotype Antwort, die fast wie eine Beschwörungsformel wirkt.
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