Ein Jahr BER-Desaster: „Das hat Willy nicht verdient“
Heute vor einem Jahr sollte der Willy-Brandt-Flughafen eröffnen. Man müsse ihm diesen Namen entziehen, fordert Klaus Harpprecht, Weggefährte des Exkanzlers.
taz: Herr Harpprecht, heute vor einem Jahr sollte der Willy-Brandt-Flughafen in Schönefeld eröffnen. Was hätte Willy Brandt zu so viel Unpünktlichkeit in seinem Namen gesagt?
Klaus Harpprecht: Er hätte schon bei der Planung gesagt: „Hätten Se’s nicht ’ne Nummer kleiner?“ Der Flughafen ist ein Prestigeunternehmen, das sich Berlin nicht leisten kann. Und Brandenburg auch nicht. Das wird niemals ein großer Drehkreuzflughafen. Neben Frankfurt und München ist ein dritter großer Flughafen in Deutschland nicht notwendig.
Legte Brandt denn Wert auf Pünktlichkeit?
1927 in Stuttgart geboren, ist Journalist. Er war von 1972 bis 1974 Redenschreiber und Berater des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt. Heute lebt Harpprecht in Frankreich.
Ja, sehr sogar. Um es ganz altmodisch zu sagen: Er betrachtete Pünktlichkeit als eine Form der Höflichkeit. Und wenn er zu spät kam, was bei Wahlkämpfen immer mal passiert ist, war ihm das sehr unangenehm. Er ließ die Leute ungern warten und war auch zu Verabredungen mit Besuchern und Mitarbeitern sehr pünktlich. Schlampereien hat Brandt grundsätzlich gehasst. Er war in den Dingen sehr genau.
Insofern passt das Flughafenprojekt nicht besonders zu ihm …
Es passt überhaupt nicht! Ich plädiere sehr dafür, Willy Brandts Namen von dem Projekt zu lösen. Er hat es nicht verdient, mit diesem Flugplatz in Zusammenhang gebracht zu werden. Sie sollten auf die Nennung seines Namens verzichten. Sie können den Flughafen ja stattdessen auf den Namen unseres großen Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit taufen, zur ewigen Erinnerung, zur Belohnung für dieses politische Schwergewicht, das mal die wolkige Idee hatte, Bundeskanzler zu werden.
Sollte man es nicht tatsächlich als Ehre begreifen, wenn ein Flughafen nach einem benannt wird?
Also auf die Ehre, mit dem BER in Verbindung gebracht zu werden, kann jeder gut und gerne verzichten.
Was für ein Verhältnis hatte Willy Brandt denn eigentlich zum Fliegen?
Im Flugzeug unterwegs zu sein war für ihn ganz selbstverständlich, es gehörte schließlich zum Job. Es war eine angenehme und oft auch die einzige mögliche Form des Transportes. Aber ich glaube, ein begeisterter Flieger war er nicht.
Hat er ein anderes Verkehrsmittel bevorzugt?
Mit der Eisenbahn fuhr er häufig durch Deutschland, von einer kleineren Stadt zur anderen. Autofahren konnte er nicht. Er hat meines Wissens nie einen Führerschein gemacht. Und da er auch oft sehr abgelenkt und in Gedanken war, hielt ich es auch für besser, dass er einen Chauffeur hatte. Ich weiß nicht, ob ich mich so sehr gern von ihm hätte fahren lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers