Ein Haus am See

■ Initiative zur Gründung des Kunstvereins Friedrichshagen

Aus dem Ort, in welchem sich schon einmal ein Dichterkreis formierte, wo Peter Huchel, Johannes Bobrowski lebten und leben ließen, erreichte uns die Bitte, die Nöte des „Kunstvereins Friedrichshagen“ zur Anzeige zu bringen, der wir durch Abdruck der folgenden beiden Beiträge gern nachkommen.

Als Ergebnis langjähriger Überlegungen und Bemühungen, im Bewußtsein, daß kulturelle und künstlerische Arbeit und Wirksamkeit in Zukunft mehr denn je auf die Selbsthilfe all derer angewiesen ist, denen sie wichtig erscheint, werden die Unterzeichner einen Kunstverein Friedrichshagen ins Leben rufen.

Der Kunstverein beabsichtigt, durch Ausstellungen, durch die Herausgabe von Drucksachen und durch Veranstaltungen die Kräfte von Künstlern und Kunstfreunden in eigen- und gemeinnütziger Weise zusammenzuführen, um eine großstädtisch öffentlichkeitswirksame Arbeit zu leisten. Wir gehen davon aus, daß die Organisationsform eines Kunstvereins nicht nur der bisher überaus halbherzigen konzeptionslosen Kulturförderung in diesem Stadtbezirk aufhilft, sondern als ein Zentrum des Berliner Kulturgeschehens im Naherholungsgebiet am Müggelsee einen Platz finden und eine Zukunft haben muß.

Die Voraussetzung dafür sind günstig gelegene Räumlichkeiten - Ausstellungs-, Veranstaltungs- und Arbeitsräume mit einer Grundfläche von 200 bis 300 Quadratmetern, sinnvollerweise unter einem Dach mit einer separat betriebenen Gastronomie. Die Villa am Zugang zu Spreetunnel und Dampferanlegestelle ist für dieses öffentlichkeitswirksame Vorhaben vorzüglich geeignet. Wir beantragen, für die Arbeit des Kunstvereins geeignete Räume in diesem Haus zur Verfügung zu stellen.

Der Kunstverein Friedrichshagen hat sich im Februar des Jahres konstituiert. Wir erhoffen von seiner Gründung vielseitige - private und gesellschaftliche - Unterstützung und eine Berücksichtigung bei den unsere Arbeit berührenden Fragen.

Clemens Groeszer, Thomas Richter, Dr. Jens Semrau, Karl Mickel, Thomas Habedank, Dorit Bearach, Gudrun Kühne, Dr. Alexander Schirdewan, Anna Groeszer, Angela Richter, Dietmar Menzel, Regina Menzel, Ingeborg Hunzinger

Die Zeit drängt und die Schwierigkeiten, Einfluß auf die zukünftige Verwendung ehemaliger Stasi-Objekte zu nehmen, werden nun offenbar. Es handelt sich im konkreten Fall um das Objekt J.-Nawrocki-Straße 16 in Berlin-Friedrichshagen, einer Villa am Müggelsee. Dieses Gebäude wird weiterhin von einem Nachfolgebetrieb der Staatssicherheit (IWG) unberechtigt beansprucht. Andererseits wartet der Rat des Stadtbezirks Köpenick entscheidungsunwillig auf das rettende Kapital, um dann gegen Bevölkerungsinteressen und notwendige kommunalpolitische Perspektiven sich so bald als möglich der Verantwortung zu entziehen.

Die Villa, um die wir uns bemühen, wurde noch vor Machtantritt der Nazis von dem jüdischen Commerzienrat Ehrlich der Gemeinde Friedrichshagen geschenkt, zur Verwendung für kommunale Zwecke. In ihr befanden sich unseres Wissens eine jüdische Geburtsklinik und eine Betstube. 1933 hatte sich die SS dort eingenistet. Nach dem zweiten Weltkrieg befand sich dort eine Volksküche, später dann war dieses Haus ein ominöses Objekt der Staatsicherheit und untersteht, zum Unwillen der Bevölkerung, nun diesem Nachfolgebetrieb der Stasi. Verwendungszweck: Arbeiterwohnheim. Innen grauenvoll, kasernenmäßig verbaut, zweckentfremdet. Dieser Zustand ist genauso unsinnig wie die Vorstellung widerlich, daß in Zukunft vielleicht kapitalkräftige Unternehmer, über die Köpfe der Bevölkerung hinweg, dort zum Beispiel ein Devisenhotel, eine Nobelherberge oder ähnliches hinstellen.

Wir wollen zur Erhaltung, besser Entwicklung eines geistig -kulturellen Lebens für Friedrichshagen und Umgebung, aber auch weit darüber hinaus, eingebunden in eine zukünftige, veränderte Planung für Berlin, ein offenes Haus. Wir denken an eine Nutzung, die an diesem zentralen Punkt eine großzügige Gastronomie verbindet mit dem Anliegen des Kunstvereins, der neben Ausstellungen auch Veranstaltungen (zum Beispiel Lesungen, Kammerkonzerte) anbietet. Den Bürgerinitiativen der Stadtökologie, Denkmalpflege, Umweltgestaltung und der Gruppe „Rettet den Müggelsee“ kann in diesem Haus Raum und Öffentlichkeit geboten werden.

Th. J. Richter