: Ein Gameboy mit im Picknick-Korb
■ Familientreffen beim Internationalen Leichtathletik-Abendmeeting im Hammer Park
Es ist ein schöner Sommerabend, kaum eine Wolke am Himmel. Dafür weht eine angenehme Brise. Im sonst eher beschaulichen Hammer Park geht's heute zu wie im Schlußverkauf. Die Straßen sind zugeparkt und vor dem Eingang des Leichtathletik-Stadions hat sich eine lange Schlange gebildet. Insgesamt 2100 leger und sommerlich gekleidete Männer und Frauen, viele mit ihren Kindern, verteilen sich auf die Betonstufen der schattenspendenden Tribüne.
Die Anlage aus den zwanziger Jahren platzt bald aus ihren Nähten, vor allem die Kinder sitzen bis an den Rand der Kunststoffbahn. Weiße Plastikstühle werden zusätzlich in der rechten Kurve aufgestellt. Währenddessen laufen schon die ersten der sechzehn Wettbewerbe, die nun Schlag auf Schlag von der Trillerpfeife des Kampfrichters angekündigt werden.
„Auch da können wir durch rhythmisches Klatschen helfen!“, animiert der Stadionsprecher. Das Publikum folgt willig. Ramona Molzahn wird im Dreisprung auf 13,72 Meter beflügelt. „Der fehlen drei Zentimeter, das ist nur so'n Stück“, zeigt eine Zuschauerin ihrer kleinen Tochter die zur WM-Qualifikation fehlende Distanz mit den Fingern. Dann der letzte Sprung, die letzte Chance. Absprung, ein Raunen geht durch die engagierte Menge. „War er das?“, dröhnt die entscheidende Frage aus den Lautsprechern. Er war es – 13,76 Meter, Norm übererfüllt. „Hat einwandfrei geklappt mit euch!“, sagt Ramona Molzahn schüchtern ins drahtlose Mikrofon des Sprechers.
Weiter geht's. Meeting-Rekorde über 800 Meter und im Hochsprung. „Haha, der hat seine Mütze verloren“, kommentiert ein Mädchen die Vorbereitungen des Dreisprung-Stars Ralf Jaros. Dann die 4x100 Meter-Staffel. Das DLV-Team gewinnt „in einer bärenstarken Zeit“, kommt aber leider ohne Staffelholz ins Ziel – Disqualifikation. Mehr Glück hat der Wattenscheider Stephan Striezel. Der Jubel der Menge läßt ihn am schnellsten über die Hürden fliegen. 49,74 Sekunden zeigt die große Digitaluhr vor dem Frikadellenstand. Umringt von Kollegen und Trainer, reißt Striezel die Arme hoch. Der Favorit Carsten Köhrbrück landet abgeschlagen auf dem vierten Platz. „Ich weiß noch nicht, ob ich in Göteborg starte“, freut sich der 22jährige, seit der Siegerehrung glücklicher Besitzer einer Mikrowelle. Zwanzig Minuten später ist sein WM-Start offiziell. Die ZuschauerInnen zelebrieren La Ola.
Augen und Kameras richten sich nun auf Ralf Jaros. Erster Versuch, doch er zieht beim letzten der drei Sprünge nicht voll durch. „Ich muß den Wettbewerb aus Vernunftsgründen beenden, bin nicht in der richtigen Verfassung,“ verkündet Jaros dem enttäuschten Publikum, „und das geht dann auf die Gesundheit.“ Ein junger Autogrammjäger muntert den Leverkusener wieder auf. Ein paar andere Kinder nutzen derweil die riesigen Schaumstoffberge der Stabhochsprung-Anlage als Spielplatz. Langsam wird es dunkel. Um 21.15 Uhr endet das Familiensportfest. Im Hammer Park geht's wieder beschaulich zu.
Rainer Glitz
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